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Dunkelziffer

Dunkelziffer

Titel: Dunkelziffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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der Maustaste.
    Der Film wurde reichlich sprunghaft rückwärtsgespielt, bis der Firmenwagen wieder aus dem Bild fuhr. Eigentlich wurde er ins Bild zurückgesetzt, das wurde klar, als Hjelm mit ein paar Klicks den Film wieder angehalten hatte und vorwärtslaufen ließ. Der Wagen setzte zurück. Stefan Willner stieg aus, schlug die gelbe Plane zur Seite, sprang hinunter und zog die Plane hinter sich zu. Schließlich schlug er sie wieder auf.
    Hjelm drückte auf Pause und begann zu zoomen. Im Stillen dankte er dem Immobilienmakler dafür, dass er Geld in eine hochwertige Kamera investiert hatte - die Vergrößerung tat der Bildqualität wenig Abbruch. Das vergrößerte Bild zeigte jetzt den Sargdeckel.
    Als Paul Hjelm den Film weiterlaufen ließ, war >laufen< nicht das richtige Wort. Der Film schlich sehr, sehr langsam.
    Und sehr, sehr langsam wurde der Deckel abgehoben.
    Langsam genug, um zwei Polizeibeamte von einigermaßen hohem Rang wie auf heißen Kohlen sitzen zu lassen.
    Verwunderung, dachte Paul Hjelm. Die haben wir in unseren Gesichtern gesehen. Und wahre Verwunderung sieht man heutzutage selten.
    Müdigkeit umso häufiger.
    Der Deckel war abgehoben. Hjelm hielt das Bild an.
    Es war zwar nicht ganz scharf, aber es war das Bild eines menschlichen Skeletts, wenn auch von den Jahrhunderten in der immer stärker verunreinigten Stockholmer Erde ordentlich geschwärzt.
    Doch es gab ein zusätzliches Element an diesem Skelett.
    Ein zusätzliches Glied.
    »Was zum Teufel«, sagte Äkesson. »Ist das wirklich das, wofür ich es halte?«
    »Und wofür hältst du es?«, fragte Paul Hjelm und versuchte das Standbild noch dichter heranzuholen.
    Langsam klärte sich das zunächst äußerst diffuse Bild und wurde vollkommen deutlich.
    Hjelm und Äkesson beugten sich über den Bildschirm.
    Das menschliche Skelett besteht aus über 200 Knochen. Normalerweise unterscheidet man zwischen langen Knochen (Röhrenknochen, ossa longa), die zu Armen und Beinen gehören, und kurzen Knochen (ossa brevia) in Händen und Füßen sowie im Rückgrat, flachen Knochen (ossa plana) in Schädel, Brustkorb und Becken und lufthaltigen Knochen (ossa pneumatica) im Gesichtsskelett.
    Als es lebendig und von Fleisch bekleidet war und sein Leben mit all den Sorgen und Kümmernissen und Freuden lebte, mit all dem Lachen und Weinen, allen Gedanken und Überlegungen, Genüssen und Schmerzen, die ein Menschenleben ausmachen, hatte das alte geschwärzte Skelett einen Knochen mehr gehabt.
    Und ob es sich bei dem zusätzlichen Knochen um ein os longum, ein os brevum, ein os planum oder ein os pneumaticum handelte, war schwer zu sagen.
    Er saß jedenfalls an einer unerwarteten Stelle.
    Für einen Laien ist es ziemlich schwer zu sagen, was eigentlich das Becken des Menschen ist. Und selbst wenn es ebenso schwer sein kann, exakt den Rumpf zu platzieren, sprechen Experten von einem >Knochenring< am unteren Teil des Rumpfs. Er besteht aus dem Kreuzbein (05 sacrum), das sich mit den beiden Hüftbeinen (ossa coxae) in den fast unbeweglichen Sakroiliakalgelenken vereint. Von hinten schiebt sich als Abschluss des Rückgrats das Steißbein (os coccygis) hinein.
    Der zusätzliche Knochen befand sich als Mittelpunkt in diesem Knochenring. Auf den ersten Blick sah er aus wie eine vordere Verlängerung des Steißbeins.
    Aber es war etwas ganz anderes.
    »Ich glaub, mich laust der Affe«, sagte Bengt Äkesson. »Aber ich schätze, das ist ein Penisknochen.« »Os penis«, sagte Paul Hjelm.
    17
    Es war absurd, aber es wurde nicht dunkel. Er hatte zwar mehr als dreißig Mittsommer erlebt, aber im Grunde nie darüber nachgedacht, dass keine Dunkelheit anbrechen wollte.
    Es war fünf vor elf Uhr am Abend, und der Wagen, dessen Ladefläche mit einer Plane mit der Aufschrift >Kvarns Elek triska AB< bedeckt war, fuhr langsam an Stadsgirden entlang. Er passierte gerade die großen Finnlandfähren, die wie umgekippte Wolkenkratzer am Kai lagen.
    Man hatte das Gefühl, es sei mitten am Tag und Stockholm sei einfach geräumt worden.
    Steffe hob den Blick zu dem schönen Aussichtsplatz von Fifängan und hielt vor einer roten Ampel. Die Uhr im Auto zeigte jetzt 22 .57. Er überlegte, ob er auf einen Parkplatz fahren und auf den Anruf warten sollte; es wäre dumm, zu weit zu fahren auf Värmdöleden, bevor der Buchhalter anrief. Was meinte er eigentlich mit >in Höhe von Sickla    Die Ampel war so lange rot, dass die Frage nicht mehr aktuell war. Als der Firmenwagen wieder anfuhr,

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