Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkelziffer

Dunkelziffer

Titel: Dunkelziffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
an seinem Arm. Er ging weiter.
    Die Luft war schwer und streng. Steffe tippte auf einen Lagerraum oder ein altes Industriegebäude.
    »Stopp«, sagte der Leibwächter. »Sie können das Handy jetzt abschalten.«
    »Ich kann es leider nicht sehen«, sagte Steffe.
    Der Leibwächter zog ihm die Mütze vom Kopf. Er stand in einem klassischen Lagerraum, groß, feucht, kalt, zementfarben, mit einer Schmutzschicht an den Wänden. Nichts deutete auf irgendeine menschliche Aktivität in diesem Raum hin. Weder jetzt noch seit Gott weiß wie langer Zeit.
    An den Wänden des Lagerraums war eine Reihe von Türen. Eine davon wurde geöffnet, und der Buchhalter schaute heraus. Er winkte mit einer kleinen Handbewegung, und Steffe schritt quer durch den großen Raum. Aber vorher warf er einen Blick über die Schulter zurück. Der Leibwächter war mitten im Lagerraum stehen geblieben, grob, ungeschlacht, ausdruckslos. Er deutete mit auffordernder Neutralität erst auf das Handy, dann in Richtung des Buchhalters, der noch in seiner Tür stand.
    Steffe schaltete das Handy aus, und als er näher kam, nickte der Buchhalter höflich und sagte: »Willkommen. Treten Sie ein.«
    Er betrat ein gut eingerichtetes Büro, das sich deutlich von dem Lagerraum unterschied. Aber es war auffallend anonym. Man konnte sich keinerlei Vorstellung davon machen, welche Art von Gewerbe hier betrieben wurde. Keine Bilder, keine Fotos, keine Buchrücken, nur ein Laptop auf einem Schreibtisch und eine gemütlich wirkende Sofagruppe sowie ein paar Regale mit unbeschrifteten Aktenordnern.
    »Bitte, nehmen Sie Platz«, sagte der Buchhalter immer noch höflich und zeigte auf die Sofagruppe.
    Wenn Steffe irgendwann im Laufe des Abends ein Bedürfnis nach Opposition oder Selbstbehauptung gehabt hatte, so war es seit Langem verschwunden. Er wusste genau, in welcher Lage er sich befand - sein Mangel an Widerstandskraft irritierte ihn noch nicht einmal.
    Das Sofa war tatsächlich gemütlich, als ob sich in seiner Alltäglichkeit magische Tiefen verbargen. Steffe setzte sich, und der Buchhalter nahm hinter seinem anonymen Schreibtisch Platz.
    »Das Geld liegt in einer Tasche unter dem Sofa«, sagte der Buchhalter. »Sie können es sofort nehmen und verschwinden.«
    »Aber...?«, sagte Steffen, da er den Eindruck hatte, dass sich im Tonfall des Buchhalters eine Fortsetzung andeutete.
    »Aber wir würden es begrüßen, wenn Sie noch einen Augenblick blieben, jedenfalls bis ich kontrolliert habe, dass der Wert der Ware der Summe in der Tasche entspricht.«
    »Ich erwarte nichts anderes«, sagte Steffe und merkte, dass die Neugier ihn gepackt hatte.
    Konnte es wirklich sein, dass sie noch mehr von ihm wollten? Er konnte nicht verhehlen, dass der Gedanke etwas Schmeichelhaftes hatte. Über die reine Neugier hinaus.
    »Wenn das so ist«, sagte der Buchhalter und stand auf, »dann möchte ich Sie bitten, einen Augenblick zu warten.«
    Dann verschwand er.
    Es war schwer zu sagen, welche Triebkräfte Steffe zu sofortigem Handeln veranlassten. Ein paar Stunden später, wieder in dem muffigen Hotelzimmer in dem muffigen Vorort, sollte er genauer über seine Beweggründe nachdenken.
    Eigentlich konnte es alles Mögliche sein, von bloßem Interesse für eine Organisation, die kein Problem hatte, eine solche Menge Geld auszuspucken - vielleicht war da noch mehr zu holen -, bis zu einem ideellen Interesse an dem Skelett und seiner dunklen Geschichte. Zwischen diesen Polen bewegte sich sowohl das reine Gefühl der Verlassenheit, das ihn möglicherweise dazu hätte bringen können, bei jedem Beliebigen, der sich näherte, Zuflucht zu suchen, als auch das Interesse daran, was diese Menschen - wer immer sie waren - veranlasste, einem Skelett mit einem Penisknochen eine solche Bedeutung beizumessen. Aber in diesem Moment gab es keine solchen Reflexionen. In diesem Moment handelte er rein instinktiv. Kaum war der Buchhalter verschwunden, stand er auf und ging an den Schreibtisch. Er tippte die Computermaus an und erhielt ein nichtssagendes Bild auf dem Monitor, zog rasch ein paar Schubladen auf, die vollkommen leer waren, drehte sich um und nahm den Ordner aus dem Regal, der dem Stuhl des Buchhalters am nächsten war. Er legte ihn vorsichtig auf den Schreibtisch und schlug ihn auf. Der Ordner war prall gefüllt mit Papieren. Computerausdrucken - vermutlich von dem Laserdrucker, der neben dem Schreibti sch auf dem Fußboden stand. Stef fe blätterte in den Papieren. Sie sahen alle ungefähr

Weitere Kostenlose Bücher