Dunkle Beruehrung
zischten.
Elektrizität umgab die Kugel, als ein mächtiger Blitz die Skulptur traf und unter Strom setzte. Matthias sah Bradford Lawson aufschreien, und Millionen Volt strömten aus dem Eisen in seine Hände und seinen Körper.
Jessa hielt die Augen geschlossen und drückte das Gesicht an Matthias’ Brust, doch er sah zu, wie die Urgewalt in Lawsons Glieder fuhr und sich zwischen ihm und der Skulptur krümmte. Der am ganzen Leib wild zitternde Lawson schien einen grotesken Tanz aufzuführen. Der Blitz dauerte drei volle Sekunden, bevor er erlosch; danach sank Lawson mit geschwärztem Gesicht als dampfendes Wrack an das glühende Eisen.
Matthias ließ Jessa nur los, um die Stangen wieder aufzubiegen, legte ihr den Arm erneut um die Schulter und geleitete sie behutsam nach draußen. Während der Wolkenbruch allmählich wieder in Regen überging, betrachtete er den an die Skulptur geklammerten Toten.
»Das also ist deine Begabung«, sagte Jessa, und die Tropfen strömten ihr wie Tränen über das Gesicht. »Du hast das Unwetter fabriziert und die Blitze beherrscht – wie bei unserer ersten Begegnung im Restaurant.«
»Ich kann Regen machen.« Er strich ihr das klatschnasse Haar aus dem Gesicht. »Und der Blitz lässt sich im Unwetter von mir anziehen. Wenn ich mich stark konzentriere, kann ich ihn rufen.«
Sie musterte den toten Lawson über ihre Schulter hinweg und wandte den Kopf wieder zu Matthias. »Wir können ihn hier nicht so lassen.«
»Wenn es hell ist, finden ihn die Ordnungshüter und schaffen ihn weg. Was ihm widerfahren ist, wird entdeckt. Danach wird GenHance ihn wollen.« Er legte ihr die Hand an die Wange. »Wir wissen nicht, wie viel er denen erzählt hat. Deshalb müssen wir die Stadt verlassen, bevor sie kommen.«
»Wohin können wir gehen?«, fragte sie.
»Rowan und Drew kommen aus Atlanta zurück. Ich sage ihnen Bescheid, dass wir uns an einem sicheren Ort auf dem Land treffen. Danach entscheiden wir gemeinsam, wohin wir gehen.« Er strich ihr mit dem Daumen unter dem rechten Auge entlang und fing die Träne auf, die sich aus den Wimpern löste. »Jetzt muss ich dich nicht mehr umgarnen und brauche dich nicht länger zu überzeugen – du hast mit eigenen Augen gesehen, wozu GenHance fähig ist. Wir müssen diesen Kampf zusammen ausfechten, damit das, was Lawson widerfuhr, nicht der erste in einer langen Reihe von Schrecken ist.« Er legte ihr die Hand auf die Schulter. »Vertraust du mir jetzt? Bleibst du bei mir?«
Jessa schloss die Lider über ihrer letzten Träne und legte ihre Hand auf seine. »Ja.«
Rowan verstieß gegen alle Geschwindigkeitsbegrenzungen auf der Autobahn, sodass sie kurz nach dem Morgengrauen in Atlanta ankam. Da es für einen Kaffee bei Starbucks zu früh war, besorgte sie sich in einem Tankstellenshop etwas zu essen.
Die schmuddelige Kaffeekanne am Heißgetränkestand ließ Rowan die Nase rümpfen, doch es gab Mineralwasser und pudergezuckerte Donuts, für die sie eine Schwäche hatte. Sie setzte sich auf den Bordstein vor dem Laden und rief bei Matthias an, um ihm zu sagen, dass sie angekommen war, doch er ging nicht ans Telefon.
»Um was wetten wir, dass er mit dem Prinzesschen unter der Dusche ist?«, fragte sie den ersten Donut und schob ihn in den Mund.
Für den Rest der Tüte brauchte sie kaum zwei Minuten. Sie spülte das Gebäck mit einer halben Flasche Wasser runter und wusch sich mit dem Rest die Hände. Nachdem sie sich mit ihrem Stofftaschentuch abgetrocknet hatte, zog sie das Foto von Drew Riordan hervor und betrachtete es.
Er war so bleich wie das Prinzesschen, doch seine herrlich rot leuchtende Igelfrisur dominierte alles andere. Seine Augen waren sehr dunkel, aber weder schwarz noch braun. Rowan kam zu dem Schluss, dass sie marineblau oder jägergrün sein mussten. Er lächelte nicht, doch die dünnen Linien um die Winkel seines überaus ansehnlichen Mundes zeigten, dass er das eigentlich oft tat. Der Höcker einer gebrochenen Nase – die vermutlich von einer Schulhofprügelei mit einem Jungen stammte, der ihn »Bozo« genannt hatte – verdarb sein Gesicht so wenig wie der kurz geschnittene Bart an seinem kantigen Kiefer.
»Ein Ire«, brummte Rowan. Mit einem Namen wie Riordan war das klar, obwohl er genauso adoptiert worden war wie sie alle. »Deine Eltern haben sich wahrscheinlich wegen deiner Haarfarbe für dich entschieden.«
Sie steckte das Foto ein, stand auf, strich sich Krümel und Puderzucker von der Jacke und wählte spontan
Weitere Kostenlose Bücher