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Dunkle Beruehrung

Dunkle Beruehrung

Titel: Dunkle Beruehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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umgaben, würden den Körper auf unbestimmte Zeit lebendig und gesund erhalten.
    Er hatte Kirchner befohlen, die Verbände von der unteren Hälfte des übel zugerichteten Gesichts zu entfernen, und die Blutergüsse und Schnitte um Nase und Mund heilten allmählich. Dennoch würde viel plastische Chirurgie nötig sein, doch das konnte warten, bis sie so weit waren, den Körper wieder zu Bewusstsein zu bringen.
    Weil die Neuerwerbung kein Gehirn besaß, war sie keine Person mehr, und man redete über sie wie über Laborproben. Das erlaubte seinen Leuten, ohne überflüssige Gefühle oder Zuneigung zu arbeiten, doch bald würde der Körper wieder eine Person werden und bräuchte einen neuen Namen.
    Es war, wie Gott zu sein und den ersten Menschen zu schaffen, fand Genaro.
    »Adam«, sagte er. »So werden wir dich nennen.«
    Er wandte sich ab und verließ das Zimmer, ohne zu merken, dass sich die Augen des Bandagierten unter den Lidern bewegten, als beobachteten sie etwas, das nur sie sehen konnten.
    Matthias’ Zuflucht war eine ländliche Frühstückspension an der Grenze zu Tennessee. Er hielt auf dem Weg kein einziges Mal, und Jessa war froh darüber. Savannah im Rückspiegel verschwinden zu sehen war, wie aus einem traurigen Traum zu erwachen. Während der Fahrt redeten sie kein Wort, doch nach der Begegnung mit Lawson und der Enthüllung von Matthias’ Begabung war Jessa nahezu betäubt. Etwas zu besprechen hätte sie überfordert, und das hatte er offenbar gespürt.
    Matthias kam ums Auto herum, half ihr beim Aussteigen und legte ihr stützend den Arm um die Taille, als er mit ihr zu dem alten Paar ging, das aus der Pension getreten war.
    »Jessa, das sind meine Freunde Sarah und Paul Clark.« Er wandte sich den beiden zu. »Tut mir leid, dass wir euch so früh geweckt haben.«
    »Unsinn, Gaven«, erwiderte die Frau und begrüßte ihn mit offenen Armen. Sie hatte schwarzes, silbern gesträhntes Haar und erinnerte Jessa an ihre liebste Sprachlehrerin in der Schule. Ihr Lächeln wurde gequält, als sie sich Jessa zuwandte. »Willkommen in
Clarks Frühstückspension

    »Freut mich, Sie kennenzulernen.« Jessa behielt die Hände in den Taschen.
    Der groß gewachsene Mann mit den hängenden Schultern nickte Jessa zu. Seine Miene war reservierter, doch er hatte freundliche Augen und schüttelte Matthias begeistert die Hand. »Gut, dich zu sehen, Matt.« Er sah an den Besuchern vorbei. »Niemand auf der Straße bis in dreißig Kilometern.«
    Jessa drehte sich um. Sie vermochte gut anderthalb Kilometer weit zu schauen, doch dann verschwand die Straße hinter einer Hügelkuppe.
    »Mein Mann war in seinem früheren Leben ein Adler«, scherzte Sarah.
    Jessa warf Matthias einen raschen Blick zu. »Sie sind wie wir.« Er nickte, und sie sah sich Sarahs Haar genauer an. Das Paar schien zu alt zu sein, um zu den Kyndred zu gehören, und doch klangen die Stimmen der beiden sehr jung.
    »Sie hat eine hervorragende Intuition, Gaven«, sagte Sarah. »Ich schätze, das ist nicht nötig.« Die Atmosphäre um sie herum schien zu reißen, und statt des alten Paars standen nun zwei Fremde vor ihnen: eine magere Frau mit rotblondem Haar und reizlosem Gesicht und ein dunkelhäutiger, kräftig gebauter Mann mit rasiertem Schädel, dessen Augen die Farbe des Fruchtfleischs reifer Zuckermelonen hatten. Im ersten Moment hielt Jessa ihn für blind, bemerkte dann aber seine stecknadelkopfgroßen Pupillen. Beide schienen Ende zwanzig zu sein.
    »Meine Frau erscheint gern in mancherlei Gestalt.« Paul musterte Jessa mit seinen seltsam gefärbten Augen. »Und sie neigt dazu, Menschen anzufassen – Sie sollten es ihr also sagen.«
    Jessa wich etwas zurück. »Sie sehen, was ich denke?«
    »Ich sehe, dass Ihre Gesichtsmuskeln sich bei jeder Erwähnung einer Begabung anspannen.« Er lächelte. »Außerdem haben Sie vermieden, uns zu berühren.«
    Sie hatte ihre Begabung allein den Takyn gegenüber eingeräumt und rang nun kurz um Worte. »Wenn ich jemanden berühre, habe ich eine Vision und sehe die Untaten meines Gegenübers oder das, wofür es sich schämt – und ich weiß genau, wann, wo und wie diese Dinge sich zugetragen haben oder zutragen werden.«
    Statt abgestoßen zu wirken, lächelte Paul. »Dann erzähle ich Ihnen lieber, dass ich mit sechzehn ein Auto gestohlen habe und Sarah sich an unserem Hochzeitstag als Cindy Crawford präsentiert hat.«
    »Keine Sorge, Jessa.« Sarah gluckste über ihre Miene. »Wir haben keine Geheimnisse

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