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Dunkle Beruehrung

Dunkle Beruehrung

Titel: Dunkle Beruehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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Küchengarten zur Straße führte. Er folgte ihm, doch außerhalb des Grundstücks wurde die Witterung schwächer – sie hatte sich offenbar eilends Richtung Osten auf den Weg gemacht.
    Er hätte ihr längst erzählen sollen, wo er sie hingebracht hatte. Wie sehr musste es sie geängstigt und verwirrt haben, in die Nacht zu treten, Sapphire House zu sehen und zu begreifen, dass sie unter dem Gebäude gefangen gewesen war, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte.
    Er ging nach Osten und war dabei nur froh, dass es noch einige Stunden bis zum Morgengrauen waren, er also die Chance hatte, sie aufzuspüren und zu schnappen, bevor die Stadt von ihrer Gegenwart Notiz nahm. Er würde ihr erklären, dass er Sapphire House auf einer Auktion nur erworben hatte, um das weite Labyrinth alter Schmugglertunnel als Unterschlupf für Kyndred auf der Flucht zu nutzen.
    Er blieb überall stehen, wo auch sie angehalten hatte, und spürte seine Haut bei jedem Schritt prickeln, während seine Beklommenheit stetig zunahm. Er war aufgewühlt; nagendes Begehren mischte sich mit Furcht, Mitleid mit Wut. Er hatte sich so sehr auf sie eingestellt, dass er sie zu fühlen glaubte, körperlich wie seelisch. Er vermutete sie ganz in der Nähe – und nahm an, dass sie Angst hatte. Als er ihre Witterung kurz verlor, blickte er sich um und begriff, dass sie die Treppe zum Fluss hinuntergegangen war. Er nahm drei Stufen auf einmal und rannte auf die Uferpromenade hinaus.
    Matthias konzentrierte sich darauf, wie beängstigend intensiv er sie wahrnahm, wandte sich nach Norden, huschte lautlos an den Läden entlang, hielt sich dabei im Dunkeln und spähte voraus. Er würde sie nicht angreifen oder packen, sondern sie heranrufen – und die richtigen Worte finden, um ihr Vertrauen zurückzugewinnen. Das musste ihm gelingen.
    Wolken ballten sich am Himmel, und dann hörte er Jessa schreien. Seine Muskeln spannten sich, und er rannte los.
    Sie kam rückwärts aus einer Seitengasse gestolpert, landete nahezu in seinen Armen, drehte sich um und schubste ihn, aber nicht, um ihn wegzustoßen.
    »Er kommt«, sagte sie. In ihren Augen lag blankes Entsetzen. »Lauf. Wir müssen abhauen.«
    »Geh nicht weg, Jessa«, hörte Matthias einen Mann mit werbender Stimme sagen. »Wir haben heute Nacht noch so viel vor. Und morgen. Und nächste Woche. Und nächsten Monat.«
    Er sah ihn kommen, und obwohl die Gestalt nicht weiter ungewöhnlich wirkte, ging von ihr doch etwas aus, das ihn veranlasste, sich vor Jessa zu stellen. »Die ist nicht für Sie.«
    »Sie kenne ich doch.« Der Mann kam näher getrottet und straffte sich, während er Matthias musterte. »Sie sind der, den sie angeheuert hat, um mich mit dem Messer zu verletzen.«
    Matthias spähte Lawson ins Gesicht. »Sie hat mich nicht angeheuert. Ich bin ihr zu Hilfe gekommen.«
    »Ich weiß, was sie Ihnen aufgetragen hat: dass Sie mich zum Krüppel machen sollen.« Die Gestalt neigte den Kopf zur Seite. »Wissen Sie, dass die mich umbringen wollten? Bloß weil ich bei der Arbeit verletzt worden bin? Dabei ist das in den Sozialleistungen des Unternehmens gar nicht vorgesehen – ich habe im Arbeitsvertrag jedenfalls keinen Absatz entdeckt, aufgrund dessen Beschäftigte in die ewigen Jagdgründe geschickt werden.«
    Nun begriff Matthias, dass Lawson verrückt war. Und wegen seiner Ausbildung war ihm klar, dass er es mit diesem Verrückten nicht würde aufnehmen können – nicht unbewaffnet und zudem bemüht, seine Frau zu schützen.
    »Bleib nah bei mir«, sagte er zu Jessa, blickte zum Himmel und griff nach seiner inneren Macht aus.
    Es blitzte, und das Gesicht der Gestalt vor ihm war kurz zu sehen. Matthias erkannte Lawsons Züge, doch als er in die tiefschwarzen Augen schaute, erblickte er darin die Abgründe der Hölle.
    Die Wolken waren nun riesig und bedrohlich, und plötzlich regnete und hagelte es. Lawson riss jaulend den Kopf zur Seite, als ihn ein großes Hagelkorn traf. Matthias und Jessa hingegen blieben verschont.
    »Warum bekommen Sie nichts ab?«, fragte Lawson und legte die Hände schützend auf den Kopf.
    »Der Regen gehört mir. Genau wie die Frau.« Matthias hob erneut den Blick und sandte seine Macht aus. Im nächsten Moment ging ein sintflutartiger Wolkenbruch nieder.
    Matthias ergriff Jessa bei der Hand, zog sie mit sich und floh vor der Gestalt aus der Seitengasse in den Regen, der so dicht fiel, dass er jedem die Sicht nahm. Nur sein Gespür für den Boden unter den Füßen ließ ihn den

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