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Dunkle Beruehrung

Dunkle Beruehrung

Titel: Dunkle Beruehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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»Meine Augen waren ursprünglich braun. Die Ärzte glauben, dass die Hirnblutung die Regenbogenhaut verfärbt hat.« Er sah seine Frau kurz an. »Sarah war geschickter – sie hat ihre Begabung vor jedermann verheimlicht.«
    »Das war auch nicht schwer«, flocht sie ein, und schon flimmerte die Luft um sie her, ihre Gestalt wurde unscharf, und sie verwandelte sich in einen gedrungenen, großäugigen Mann in weißem Laborkittel. »Dieser Arzt war der Einzige, der mich je erwischt hat, als ich meine Gestalt wandelte«, sagte der Mediziner mit Sarahs Stimme, »und er hat noch am gleichen Tag aufgehört zu trinken.« Ein Riss ging durch die Luft, und schon hatte Sarah wieder ihre normale Gestalt.
    Jessa hatte die Verwandlung diesmal genauer beobachtet. »Sie ändern Ihr Aussehen eigentlich gar nicht.«
    »Ich wünschte, ich könnte es. Dann würde ich bestimmt etwas gegen diese Visage unternehmen.« Sie tätschelte ihre hageren Wangen. »Wir nehmen an, dass ich das Licht um mich her verändere, sodass Sie die Gestalt sehen, als die ich Ihnen erscheinen will. Außerdem kann ich jeden im Umkreis von anderthalb Metern glauben machen, ein anderes Aussehen zu haben, und so kommt folgender Effekt zustande.« Die Luft rings um den Tisch flimmerte, und plötzlich saßen zwei Sarahs da. Jessa lachte, als sie an sich herabschaute und feststellte, dass sie sich in ein Ebenbild ihrer Gastgeberin verwandelt hatte.
    »Erstaunlich«, sagte sie.
    »Das ist nur ein Wahrnehmungstrick«, sagte Sarah und bereitete der Illusion ein Ende. »Paul fällt darauf nicht herein, weil er die Änderungen der Lichtintensität bemerkt, die mit meiner Verwandlung einhergehen. Ich brauche ja Licht dafür – im Dunkeln kann ich meine Begabung nicht einsetzen. Außerdem bleibt mein Körper derselbe. Während Sie also anscheinend Paris Hilton sehen …« – sie verwandelte sich in deren Ebenbild – »… bekommen Sie noch immer die alte, schmucklose Sarah Clark.« Sie beendete die optische Täuschung.
    Jessa wurde von den vielen Verwandlungen langsam schwindlig. »Ermüdet es Sie denn gar nicht, Ihre Begabung einzusetzen?«
    »Im Gegenteil. Hinterher fühle ich mich immer prächtig. Manchmal auch richtig hungrig.« Sie wies mit dem Kopf auf ihren Mann. »Aber Zuckermelonenäuglein fängt sich manchmal eine dreitägige Migräne ein, wenn er es mit seiner Begabung übertreibt.«
    »Meine Netzhaut nimmt mitunter mehr Informationen auf, als mein Hirn verarbeiten kann«, erklärte Paul. »Das führt zu Kopfschmerzen. Zum Glück habe ich die Erweiterung meiner Pupillen zu steuern gelernt. Und ich setze meine Begabung nur ein, wenn es absolut notwendig ist.«
    »Sehen Sie durch Dinge hindurch? Konnten Sie darum vorhin sagen, die Straße sei auf dreißig Kilometer hin leer?«, wollte Jessa wissen.
    »Nein, ich brauche Sichtkontakt wie alle.« Er wies nach oben. »Aber ich nehme in einem Radius von achtzig Kilometern thermische Luftveränderungen wahr, die durch Motorabgase, Körpertemperatur oder andere Wärmequellen entstehen.«
    »Sie beide wirken so normal«, entfuhr es Jessa. »Ich meine, Sie scheinen das alles völlig akzeptiert zu haben.«
    »Ich hatte meine Probleme damit, als ich jünger war«, sagte Sarah, und ihr Lächeln verblasste ein wenig. »Jedes Mädchen möchte hübscher sein, und ich bin wirklich keine Schönheit. Also setzte ich meine Begabung ein, um mir den süßesten Jungen auf dem Campus zu angeln. Fast hätte ich ihn geheiratet, doch eine Woche vor der Hochzeit beschloss ich, ihn die echte Sarah treffen zu lassen, um zu sehen, ob er mich oder das Trugbild liebte. Er ist ausgeflippt und hat mir vorgeworfen, ihm Drogen verabreicht zu haben. Dann hat er mir ins Gesicht gespuckt und mich verlassen.« Sie sah Jessa in die Augen. »Das ist das Schlimmste, was ich getan habe, falls Sie fürchten, mich mal zufällig zu berühren.«
    »Und es ist auch das Beste gewesen.« Paul nahm ihre Hand. »Du hättest die Illusion für den Rest deines Lebens aufrechterhalten können – er hätte es nicht gemerkt.«
    »Nichts geschieht grundlos.« Sie lächelte ihren Gatten an. »Man sollte meinen, ein Kerl mit Adleraugen würde mich nur kurz ansehen und sofort die Beine in die Hand nehmen, aber dieser Mann war anders.«
    »Ich habe deine wahre Schönheit gesehen.« Er hob ihre Rechte und gab Sarah einen Handkuss. »Schon als du mich das erste Mal angelächelt hast, Schatz.«
    Matthias gesellte sich wieder zu ihnen. Jessa fragte nach Rowan und erfuhr, dass

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