Dunkle Beruehrung
damit sie ihm als Privatwohnung dienen konnten.
Nicht dass sie sich hier unwohl fühlte. Jeder hätte den fantastischen Rundblick aus den Panoramafenstern aus kugelsicherem Glas genossen, die kürzlich installiert worden waren. Wenn sie sich in der Mitte des großen Zimmers um die eigene Achse drehte, konnte sie den Atlantik, die von Florida bis Boston reichende Küstenwasserstraße, den großen Containerhafen von Port Everglades und die schicke, moderne Skyline von Fort Lauderdale sehen. Auf den Terrassen standen Liegen, damit sie sich unter den Sternen aalen und die dunkle Brandung über den makellos bernsteingelben Sand ihres Privatstrandes fluten sehen konnte. Benötigte sie etwas, brauchte sie nur den Hörer in die Hand zu nehmen und darum zu bitten – worum es sich auch handelte: Die in drei Schichten arbeitende Dienerschaft lieferte es binnen Minuten.
All diese Pracht und Eleganz und aller Luxus des Penthouses sollten die Bewohner verwöhnen. Wenn sie wollte, konnte sie mal im einen, mal im anderen großen Schlafraum oder in einem von drei Gästezimmern schlummern oder zum Duschen zwischen vier Bädern wählen. In der Bibliothek standen nahezu fünftausend Bücher aller Gattungen zu jedem Thema, und sie beherbergte einen Kamin und Lehnstühle, in denen sich ein Schläfchen halten ließ, während der Medienraum jede Art elektronische Unterhaltung bot – von den neuesten CD s und DVD s bis zu den aktuellsten Videospielen. Es gab sogar einen Kraftraum, wo sie Gewichte stemmen, Fitnessgeräte nutzen und auf einem Hightech-Laufband einem Bildschirm entgegenrennen konnte, der so programmiert war, als joggte sie durch verschiedene Parks oder Naturwunder der Welt. Und ihre Sorgen konnte sie in der benachbarten Sauna ausschwitzen.
All das war Sam ganz gleichgültig, als sie den Bericht nun aufs Neue las. »Kaum zu glauben – Max Grodan wurde geschnappt, der Hochstapler, der seinen Partnerinnen seine Verbrechen angehängt und sie dann umgebracht hat. Nach all den Jahren haben sie ihn gefasst.«
»Fabelhafte Neuigkeit.« Lucan nahm die Hände von Sams Schultern und drehte ihren Schreibtischstuhl zu sich. »Dann hat deine Polizeiarbeit heute Nacht mal ein Happy End.«
Sie sah zu seinem unanständig schönen Gesicht mit den geistgrauen, chromglitzernden Augen auf, das ein weizenblonder Haarschopf rahmte. Lucan, der frühere Mörder, hatte sich in einen wohlwollenden Diktator verwandelt, der nicht mochte, wenn man nicht auf ihn einging. Auch nahm er ihre Arbeit meist nicht wahr, und das ärgerte sie oft mehr, als sein gutes Aussehen wettmachen konnte. »Du verstehst das nicht.«
»Jemand wurde geschnappt. Du bist zufrieden. Zweifellos ist der Gerechtigkeit gedient.« Er kniete vor ihr nieder, beugte sich vor, umspielte ihren Hals und flüsterte ihr ins Ohr: »Würdest du jetzt bitte bis morgen Abend vergessen, dass du Polizistin bist?«
»Das kann ich nicht.« Sie faltete die Hände in seinem Nacken und küsste ihm die Wange. »Und jetzt kommt’s: Ich muss nach Atlanta fliegen.«
»Oh nein.« Lucan zog sie in seine Arme und stand auf. »Du kommst mit mir ins Bett.«
»Es wäre viel einfacher, mit dir zu reden, wenn du mal eine halbe Minute nicht daran denken würdest, mit mir in die Kiste zu steigen.«
»Na gut.« Er setzte sie wieder ab und betrachtete sie aus schmalen Augen. »Neunundzwanzig. Achtundzwanzig.«
»Das FBI in Atlanta hat zwei Trickbetrüger verhaftet«, sagte sie eilig. »Einer hat sich als Max Grodan erwiesen. Er war der Hauptverdächtige in einem alten Mordfall, den ich nie aufgeklärt habe.«
»Zwanzig.« Lucan verschränkte gelangweilt die Arme. »Neunzehn.«
»Er bedient sich einsamer junger Männer und Frauen für seine Spielchen«, fuhr sie fort. »Er verführt sie, lernt sie an und schickt sie mit gefälschter oder erschlichener Identität in bestimmte Firmen. Sie tragen das ganze Risiko; er bekommt das ganze Geld. Dann hängt er allein ihnen die Verbrechen an, bringt sie um und verschwindet. Ich weiß, dass es neben meinem Opfer mindestens drei weitere gab.«
»Dreizehn. Zwölf.«
»Verdammt.« Plötzlich war sie ihm böse. »Ich bin nicht dein Eigentum. Das ist mein Beruf. Das ist es, was ich tue.«
Der Jasminduft wurde so stickig wie erregend, und die leeren Weingläser, die sie am Fenster hatten stehen lassen, klirrten.
»Dein Beruf ist mir egal. Du gehörst mir.« Er drängte sie gegen eine Wand. »Und was mir gehört, behalte ich in der Nähe. Also hier. Sicher
nicht
in
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