Dunkle Beruehrung
über seinen Witz. »Wir haben hier so unsere Gewohnheiten, und so läuft das nicht.«
»Ganz offensichtlich.« Lucan nahm sie am Ellbogen und zog sie beiseite. »Das ist Zeitverschwendung, Sam. Ich gehe den Drecksack holen.«
»Nein«, widersprach sie. »Wir haben etwas vereinbart. Wir sind hier, um Max Grodan nach Florida zu überführen, nicht, um die halbe Stadt zu terrorisieren und zu zerstören.« Bevor er antworten konnte, fuhr sie fort: »Beherrsche dich, Suzerän, oder ich lass dich die Papiere ausfüllen.«
Er warf einen Blick auf das Bündel an Papieren, das der Polizist hervorgezogen hatte. »So herzlos bist du nicht.«
»Mach weiter so, dann findest du es heraus.« Sie ging zum Schreibtisch zurück, nahm die Formulare und ließ sich für den folgenden Nachmittag einen Termin beim Chef der Mordkommission geben. »Könnte ich bitte eine Kopie seiner Gefängnisunterlagen bekommen?«, fragte sie dann und setzte, als der Mann ein finsteres Gesicht machte, rasch hinzu: »Ich muss am Abend den Bezirksstaatsanwalt anrufen, und der hört sicher gern, dass Ihre Abteilung kooperativ war.«
Der Polizist stieß einen langen, leidenden Seufzer aus, stapfte in ein Büro weiter hinten und war ein paar Minuten später wieder da. »Das ist eine Kopie all dessen, was das FBI uns über ihn geschickt hat.«
»Danke.« Samantha nahm die Mappe und sah Lucan an. »Wir brauchen ein Hotelzimmer.«
»Vier meiner Lieblingsworte.« Er ergriff ihre Hände. »Aber ich habe schon für eine geeignete Unterkunft gesorgt.«
Sie war so vertieft in die Unterlagen, dass sie ihn nicht gehört zu haben schien.
Im Auto beendete sie die Lektüre und schloss die Mappe. »Seltsam. Ich dachte, sie hätten ihn auf frischer Tat ertappt – dabei wussten sie nicht mal, dass er in der Stadt war. Fahr nicht so schnell.«
»Das ist ein Ferrari«, erinnerte er sie. »Den darf man nicht langsam fahren. Welche Tat meinst du denn?«
»Noch eine Hochstapelei. Er lässt seine Partnerinnen alles erledigen – sie reservieren Hotels für ihn und mieten oder kaufen Autos –, und zwar immer unter ihrem Namen. So gibt es keine Beweise, die ihn belasten. Er hinterlässt nie eine Spur. Ich hatte vermutet, seine neue Partnerin habe dem FBI einen Tipp gegeben. Tatsächlich aber wurden die beiden durch einen anonymen Anruf verpfiffen.«
Lucan zuckte mit den Achseln. »Dann hat ein braver Bürger seine Pflicht getan.«
»Jemand hat alles gewusst – wo er sich aufhielt und mit wem, was sie in New York bereits ausgefressen hatten und was sie in Atlanta planten. Max ist wie ein Geist. Er existiert einfach nicht.« Samantha runzelte nachdenklich die Stirn. »Vielleicht konnte sich eine seiner ehemaligen Partnerinnen rechtzeitig von ihm absetzen. Aber wie sollte sie erfahren haben, wo er sich aufhielt und was er tat?« Sie blickte auf und sah durch die Windschutzscheibe. »Wo sind wir?«
»In unserem Hotelzimmer, sozusagen.« Lucan parkte vor dem Armstrong-Gebäude am Bordstein. »Ich habe mit Scarlet gesprochen. Er war so freundlich, uns seine Stadtfestung mitbenutzen zu lassen.«
Sie wirkte nicht glücklich, als sie aus dem Wagen stieg. »Na gut. Ich schätze, das geht in Ordnung. In welchem Stockwerk wohnen wir?«
»In allen.«
Sie musterte ihn. »Im ganzen Gebäude?«
»Sicher. Ich bin ein Suzerän auf Besuch.« Er schlang ihr den Arm um die Taille. »Was hätte ich tun sollen, Samantha? Ein Zimmer in einem Billig-Motel an der Autobahn für uns nehmen?«
»Ach, halt den Mund.« Sie ging mit ihm zum Eingang, wo sie ein Mann in dunkelbraunem Anzug begrüßte.
»Suzerän Lucan.« Der Sterbliche verbeugte sich. »Ich bin Charles Kendrick, Manager des Hauses. Suzerän Scarlet lässt sein Bedauern ausrichten, Sie nicht selbst empfangen zu können, aber er überwacht noch immer die Reparaturen am Rosethorn. Wir haben im dritten Stock eine Suite für Sie hergerichtet. Falls Sie etwas brauchen, geben Sie dem Personal bitte Bescheid. Dazu drücken Sie an jedem Telefon einfach die Null.«
Die kleinen, schwarz glitzernden Kameen auf den Manschettenknöpfen des Sterblichen deuteten darauf hin, dass er ein
Tresora
war, ein vertrauenswürdiger Mensch, der von Geburt an darin unterrichtet worden war, den Kyn zu dienen. »Danke. Wir werden wohl nicht lange bleiben.«
Lucan spürte, wie Samanthas Anspannung im Aufzug zum dritten Stock zunahm. Als die Lifttüren sich öffneten, lag eine imposante Gästesuite vor ihnen.
Sie sah sich die Wände an, auf deren
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