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Dunkle Beruehrung

Dunkle Beruehrung

Titel: Dunkle Beruehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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und die Überwachungsgeräte piepsen hörte, hatte Jessa jahrelang keine Nacht durchgeschlafen. Dass sie nun bewusstlos war, beunruhigte sie anfangs, weil sie nicht wieder in einem Krankenhausbett erwachen wollte, aber auf einer tieferen Wahrnehmungsebene war ihr klar, nicht verletzt, krank oder auch nur in Gefahr zu sein. Das beängstigende Übermaß an Sinneseindrücken, das im
Zwielicht
auf sie eingestürmt war, hatte sie umgehauen, und ihr Verstand brauchte Zeit, die Bedeutung all dessen aufzunehmen und sich zu erholen.
    Weder träumte sie noch hatte sie das Bewusstsein ihres Ichs verloren. Das lag ganz sicher an diesem Mann. Sie spürte ihn, spürte, dass er auf der anderen Seite der Dunkelheit auf sie wartete. Er hatte diese Situation verursacht, doch er wachte auch über sie. Mitunter fühlte sie ihn nahezu überall, auf dem Gesicht, an ihrem Körper. Wahrscheinlich könnte er ihr alles Mögliche tun, doch sie fühlte sich nicht hilflos oder verletzlich und nicht einmal ängstlich.
    Sie konnte es nicht verstehen – nicht nachdem die Erinnerung daran, mitgerissen und in erstickender Kälte lebendig begraben worden zu sein, langsam wieder auftauchte. Und obwohl diese Empfindungen daher kamen, dass sie ihn berührt hatte, strahlte er zugleich Wärme und Geborgenheit aus.
    Allmählich ließ die Dunkelheit ringsum nach, und ihre Sinne begannen wieder zu arbeiten. Sie spürte einen angenehmen Stoff an ihrer Wange und roch Flieder in der Nähe. Etwas bedeckte fast ihren ganzen Körper, etwas Leichtes, Weiches und Luxuriöses. Sie hörte eine Uhr ticken und Wasser rinnen. Nur ihr trockener Mund und ein leiser Schmerz im rechten Arm bereiteten ihr Unbehagen.
    Ihre Sinne verrieten ihr auch, dass sie nicht zu Hause oder im Büro oder an sonst einem ihr bekannten Ort war. Sie wartete und lauschte auf Stimmen oder Körperbewegungen, und als sie sicher war, allein zu sein, öffnete sie die Lider einen Spaltbreit.
    Jemand hatte zwei Lampen mit braun und bernsteingelb getöntem Glasschirm eingeschaltet. Sie sah Bücher, Regale, kleine Tische und viele Lehnstühle. Rechts von ihr stand ein alter Schreibtisch, ihre Wange lag auf einem frischen Kissen, und sie spürte geschnitztes Holz unter der Hand. All das war ihr unvertraut.
    Sie drehte langsam den Kopf und sah, dass sie unter einer reich bestickten, samtenen Patchworkdecke auf dem bequemen Polster eines Zweiersofas oder Ruhebetts lag. Ihre Füße waren nackt, und jemand hatte ihr den Blazer ausgezogen, doch ansonsten war sie noch bekleidet. Als sie sich auf den Ellbogen stützte, fiel ihr eine Strähne ins Gesicht.
    Eine Tür ging auf, und ehe Jessa sich eines Besseren besinnen konnte, hatte sie den Kopf schon dem Geräusch zugewandt. Ein groß gewachsenes junges Mädchen in grauem, zerlumptem Pullover und abgetragener, fleckiger Jeans kam mit einem Holztablett auf sie zu.
    »Zu spät, um sich schlafend zu stellen«, sagte sie, weil Jessa sich wieder auf den Rücken geworfen und die Augen geschlossen hatte. »Sie mögen hoffentlich gegrillten Käse und Tomatensuppe.«
    Jessa rührte sich nicht und sah zu, wie das Mädchen das Tablett auf einen Tisch neben dem Ruhebett stellte. »Wo bin ich?«
    »In Sicherheit. Willkommen im Schutzprogramm für Freaks.« Sie richtete sich auf und krempelte die Ärmel herunter, um die schwarzen Wirbel zu bedecken, die auf ihre Unterarme tätowiert waren. »Essen Sie was.«
    Jessa musterte das Tablett, entdeckte an Besteck aber nur einen Plastiklöffel. Das Sandwich lag auf einem Pappteller, und den Eistee gab es in der Plastikflasche.
    Nichts, was sich als Waffe einsetzen ließe,
dachte sie. »Ich will mit dem Mann sprechen, der mich hergebracht hat.« Sie musste sich kurz auf seinen Namen besinnen. »Matthias.«
    »Ach ja?« Das Mädchen lächelte und zeigte dabei boshaft ihre blendend weißen Zähne. »Tja, Prinzesschen, ich bin leider nicht dein verdammter Laufbursche.« Sie verließ das Zimmer.
    Jessa rollte sich von ihrer Liegestatt, ging ihr nach und rechnete damit, dass die Tür abgeschlossen war. Falsch gedacht. Sie blickte auf ihre bloßen Füße; falls sie rennen musste, brauchte sie Schuhe. Zum Glück entdeckte sie ihre Pumps unter dem Tisch neben dem Sofa, schlüpfte hinein und glitt nach draußen.
    Dort war von dem Mädchen keine Spur zu sehen. Jessa stand in einem langen, fensterlosen Gang aus altem, rissigem, geweißtem Beton, von dem viele geschlossene Türen abgingen. Die niedrige, halbrunde Decke, die starken Strahler über

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