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Dunkle Beruehrung

Dunkle Beruehrung

Titel: Dunkle Beruehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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Begabungen klassifiziert. Aphrodite war der Ansicht, es sei besser für sie alle, die Tattoos zu verhüllen, doch Jessa war weiter gegangen und hatte ihre Tätowierung über Monate hinweg in vielen schmerzvollen Behandlungen entfernen lassen.
    Sie streckte die Hand aus, wappnete sich innerlich und strich mit den Fingerkuppen rasch über die Innenseite seines Handgelenks, um die verräterische Hautstruktur zu erfühlen, die nach Laserbehandlungen zurückbleibt. Zum Glück geriet sie dabei nicht ins
Zwielicht
, doch alles, was sie spürte, war glatte Haut über festen Muskeln. Und am anderen Arm war es genauso.
    Jessa richtete sich erneut auf und biss sich auf die Lippe. Auch einige andere waren nicht an Handgelenken oder Armen tätowiert; Delilah hatte berichtet, dass ihr Tattoo an einer sehr intimen Stelle saß, während Paracelsus beklagte, dass er immer sein Hemd bis zum Kragen zugeknöpft lassen musste, um die Farbe auf seinen Schlüsselbeinen zu verbergen.
    Als Matthias sich bewegte, hielt sie den Atem an und erstarrte, doch er wälzte sich nur auf die Seite und schlief weiter.
    Er
war
gekennzeichnet.
    Jessa starrte auf das Schlangentattoo in Gestalt einer liegenden Acht, das ihm seitlich am Halsansatz prangte. Es war schwarz und ausgesprochen detailreich, denn das Reptil besaß zahllose winzige Schuppen, und im Auge spiegelten sich drei vorgetäuschte Lichter. Und das Tier biss sich in den Schwanz, nein – es verschlang ihn geradezu.
    In Symbolik war sie bewandert genug, um zu wissen, dass die sich verzehrende Schlange Unendlichkeit repräsentierte.
Was sollte es – deiner Meinung nach – ewig geben?
    Sie hatte die Tätowierung nicht berühren wollen, doch etwas daran zog ihre Finger magnetisch an. Erst nachdem eine Minute vergangen war, begriff sie noch etwas: Mitunter hatte sie Glück, und eine flüchtige Berührung blieb ohne Folgen, doch bei längerem oder wiederholtem Kontakt hatte ihre Begabung sich ihrer stets bemächtigt. Und doch strich sie nun über sein Tattoo und geriet nicht ins
Zwielicht
.
    Einen Schneesturm und eine Lawine zu überleben, ist keine Sünde
, dachte Jessa und schauderte bei der Erinnerung an die furchtbare Kälte, die er ertragen hatte.
Warum aber lässt diese schreckliche Erfahrung dich Schuld und Scham empfinden?
    Damit sie erfuhr, warum diese Tortur ihm noch immer so zusetzte, musste Jessa pragmatisch vorgehen. Die Schlange bewies nur, dass Matthias einst tätowiert worden war. Wenn sie ihm seine Geschichte, er gehöre zu den Kyndred und sei Teil einer Rettungsaktion, glauben sollte, brauchte sie mehr als ein Kennzeichen an seinem Hals.
    Trotz mehrerer Versuche hatte sie die Ausstiegsluke, die Matthias ihr gezeigt hatte, nicht wiedergefunden und war entgegen aller Zuversicht, durch die richtigen Tunnel zu gehen, immer aufs Neue in Sackgassen gelandet. Erschöpfung begann an ihr zu zehren, und widerstrebend kehrte sie in ihr Zimmer zurück.
    Da die Tür sich nicht absperren ließ, nahm Jessa den Stuhl neben dem Waschgestell und verkeilte ihn unter der Klinke. Zwar war er zu schwach, um die Tür geschlossen zu halten, doch wenn jemand hereinkäme, fiele das Möbel um, und davon würde sie erwachen.
    Normalerweise schlief sie nackt – noch eine Gewohnheit, die sie mit Matthias teilte –, doch als sie sich diesmal im Bett zusammenrollte, behielt sie Kleidung und Schuhe an.
Sollte die Gelegenheit zur Flucht kommen,
dachte sie, während ihr die Augen schon zufielen,
muss ich sofort bereit sein.
    Kaum hatte Jessa den Kopf aufs Kissen gelegt, war sie eingeschlummert. Sie war so müde, dass sie nicht damit gerechnet hatte, zu träumen. Doch sobald sie eingeschlafen war, fühlte sie sich durch die Dunkelheit in eine vertrautere Umgebung gezogen: das Schlafzimmer in ihrer Wohnung.
    Sie stand neben ihrem Bett. Jemand lag darin, gehüllt in ihre Decke. Einerseits wusste sie, dass sie sich in der Vergangenheit sah, andererseits schien das nicht ihr Umriss zu sein, denn er wirkte irritierend groß und breit.
    Vorsichtig streckte sie die Hand aus, um die Decke aufzuschlagen, und erstarrte, als eine große, harte Rechte sie am Handgelenk griff und aufs Bett runterzog. Dann schob eine männliche Linke die Decke weg und Matthias’ Gesicht kam zum Vorschein.
    »Das ist nicht real.« Sie rollte von ihm herunter auf die Seite. »Das ist nie passiert.«
    »Ich habe dich beobachtet.« Seine gold gesprenkelten Jadeaugen blickten zum Oberlicht hinauf. »Von dort.«
    Jessa sah kurz hoch. »Vom

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