Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)
beabsichtigte Wirkung. Das mit Symbolen getränkte Umfeld machte ihn unsicher, und kindische Gedanken gingen ihm durch den Kopf, als er seine Schritte auf dem steinernen Schachbrett hallen hörte. Wie nannte man diesen „Staatsmann” an der Tür in der englischen Sprache? Ganz sicher war er kein Diener, kein Türsteher, kein Concierge. War er ein Butler? Ein Zeremonienmeister? Niemand hätte ihm hier nach deutscher Art eine schlüssige Antwort auf so eine überflüssige Frage geben können. Der „Premierminister” am Eingang war Carsons, Vorname und Dienstgrad unbekannt, weil Teil des Inventars. In dieser Hinsicht durchaus ebenbürtig mit Apollo, wenn auch nicht von gleicher physischer Perfektion und physikalischer Dauerhaftigkeit. Ihre Schritte waren nun nicht mehr zu hören. Sie hatten den türkischen Teppich erreicht, dessen purpurne Schleppe der Treppe zu vollendeter Majestät verhalf. Niemand, da war sich Robert in seiner kontinentalen Einfalt ganz sicher, würde diese Stufen jemals hinaufhasten, sie erstürmen, zwei Stufen auf einmal nehmen, auf ihr stolpern und ausrutschen oder auf der breiten Messingabdeckung ihres Geländers hinunterrutschen. Er hatte eben noch keine Party in einem englischen Club zu vorgerückter Stunde erlebt.
„Ah, Merensky, Mr. von Wolf, schön dass Sie sich die Zeit genommen haben, den Abend hier mit uns alten Herren zu verbringen.” Roger Holborn kam ihnen oben aus der Bibliothek entgegen. „Gestatten Sie mir, dass ich die Gentlemen miteinander bekannt mache...”
Drei Herren erhoben sich mit unterschiedlicher Behändigkeit aus den grünen Ledersesseln, einer der intimen Sitzgruppen, die in der Bibliothek verstreut waren. Charles Burton-Mewes, Sir Charles Burton-Mewes, um genau zu sein, ein Mijnheer Arie van Driem aus Amsterdam und ein gewisser Roderick Sumpton, der ein paar mühsam erinnerte Sätze aus dem Umgang mit seiner deutschen Kinderfrau an Robert ausprobierte. Er bat ihn auch gleich, neben ihm Platz zu nehmen. Merensky kam zwischen Roger Holborn und Sir Charles zu sitzen. Alle außer Robert verfügten über „Colonial Experience” in Afrika. Sumpton und Burton-Mewes darüber hinaus in Indien und der holländische Mijnheer hatte, stilsicher wie er war, sogar die Malaria aus Batavia mitgebracht. Niemand erwähnte ausdrücklich die Profession, in der er tätig war, aber bei so vielen Gemeinsamkeiten mangelte es nicht an Gesprächsthemen. So war man in kürzester Zeit dabei, ein dichtes Garn aus weltgeschichtlichen Tatsachen, persönlichen Erinnerungen, kolonialen Treppenwitzen, Halbwahrheiten, Vermutungen, Übertreibungen und blankem Unsinn zu weben, das sich über drei Erdteile hinweg erstreckte. Robert bemerkte, dass Hans wohl die eine oder andere unverfängliche Anekdote von sich gab, jedoch nichts über seine eigentliche Arbeit erzählte. Bei Sir Charles bestätigte sich Roberts Vermutung sehr schnell, dass er keinem Beruf, außer dem eines Gentleman, nachging und von seinem Vermögen lebte. Aus van Driems Erzählungen ging hervor, dass er Kaufmann, oder besser gesagt, Kaufherr war. Womit er genau handelte, war jedoch nicht nachzuvollziehen. Jedenfalls kannte er sich recht gut mit Edelsteinen aus. Rubine und Smaragde aus Ceylon und dem Fernen Osten, Kaiserjade aus China, auch Perlen aus Indien und der Südsee. Außerdem gab es da noch burische Verwandtschaft in Südafrika und einen belgischen Vetter im Kong o.
Überhaupt der Kongo, das größte Juwel des belgischen Kolonialreichs. Herz der Finsternis und wahre Schatzkammer Afrikas. Gerüchten zufolge hatte auch Sir Alfred Niersteiner seine Fühler schon dahin ausgestreckt, nicht wahr Mr. Merensky? Hans überhörte die Frage und rührte einige Zeit so kräftig mit dem Schürhaken in dem eleganten Kamin herum, als gelte es einen Steppenbrand zu legen. Der Mijnheer ließ sich durch diesen taktischen Rückschlag nicht beirren und rettete sich auf sicheren Boden, indem er weit ere Gin Tonics zur Malariaprophylaxe orderte und fortfuhr, die Vorteile von freiem Handel und Wandel mit anderen, unverfänglicheren Beispielen zu unterfüttern.
Roderick Sumpton war da schon viel mehr nach Roberts Geschmack. Der war Professor für Geologie und Erdgeschichte, Mitglied der Royal Society, ein Jünger Darwins, und er hatte sich während der letzten zwanzig Jahre fast vollständig der Paläontologie verschrieben. Schon sehr bald war man, nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Sumptons Kindheit und bei seiner deutschen Gouvernante,
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