Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)
Abdeckerei. Nach Luanda find ich zur Not schon allein. Du hast mir ja alles genau erklärt.”
… Die Spur … die Spur … bleib hinter mir … verlier sie nicht …
Ernst Reunings Stimme hallte hell durch das Rauschen in Roberts Schädel. Er schüttelte den Kopf, um wieder klar sehen zu können. Die Unterschiede im Sand waren so fein, so unendlich fein … Siliziumdioxyd … lose Anhäufung kleiner … kleinster Mineralkörner … Langsam ebbte die Übelkeit ab, sein Blick wurde klarer, und zurück blieb nur noch lähmende Erschöpfung. Sein Mund war ausgetrocknet. Die Hände zitterten so stark, dass er kaum die Wasserflasche öffnen konnte. Er trank sie mit gierigen Schlucken leer. Die lauwarme Flüssigkeit vertrieb den bitteren Geschmack in seinem Mund und belebte ihn soweit, dass er endlich aufstehen konnte. Er legte die Arme auf den Sattel seines Maultiers und ließ den schweißnassen Kopf darauf sinken. Plaatjes Stimme drang undeutlich an sein Ohr. Den Sinn seiner Worte nahm er nicht wahr. Er pumpte mit tiefen Atemzügen Luft in die Lungen, bis er spürte, dass das Blut in seinem Körper wieder einigermaßen zuverlässig zirkulierte. Er trank die zweite Wasserflasche fast leer und schüttete sich den Rest über das Gesicht.
„Es geht wieder. Bringen wir’s hinter uns.”
Robert nahm sein Maultier am Zügel und setzte einen mühsamen Schritt vor den anderen. Er wusste später nicht, wie lange oder wie weit sie gegangen waren. Aber er konnte sich deutlich daran erinnern, dass irgendwann auf dem Kamm der hohen Düne der Atlantik zu sehen war und ein kühler Wind sein Gesicht trocknete. Derselbe Wind, den er damals, bei seinem ersten Aufstieg mit Hans und Ernst, so genossen hatte. Der Wind und die Erinnerung belebten ihn, und im gleichen Moment sah er, wonach er gesucht hatte. Der Sand war hier oben fein, fast weiß und reflektierte das Sonnenlicht wie ein gigantischer Spiegel. Etwas weiter unten sah Robert ein Plateau, von dem aus sich die Düne in weiten Kaskaden in tiefere Regionen fortsetzte. Das große Plateau hatte eine dunkle Farbe – schwerer Sand, den der Wind nicht so schnell umschichten konnte. Aber in seiner Mitte war ein helles Oval, nicht größer als ein Dorftümpel, für ein ungeübtes Auge fast nicht zu erkennen. Roberts Herz setzte einen Schlag aus. Das war es. Er brauchte nicht mehr nachzudenken. Alles was er tat, kam automatisch und mit großer Selbstverständlichkeit. Seine Hand war ruhig, als er die geologische Karte auseinander faltete und vorgab, sie zu studieren. Über den Rand der Karte starrte er hinunter auf das Oval. Oh ja, die Konsistenz des Sandes war dort anders, feiner, sehr viel feiner.
„Wir sind da. Da unten, das Plateau, das ist es. Ziemlich in der Mitte der Pfanne. Geh langsam und bleib in der Spur, die ich antrete, sonst bekommen wir die Maultiere nicht heil runter.”
„Da unten? Gott verdamm mich! Man sieht ja gar nichts! Da ist ja noch nicht mal ein Claimschild gesteckt. Willst du mich verarschen? Du hast doch gesagt, dass du hier gegraben hast. Wo ist denn das beschissene Loch?”
„Denkst du denn, man lässt eine Grabung offen, damit jeder Trottel sie gleich sieht und ausräumt? Natürlich hab ich das Loch zugeschüttet. Den Rest hat der Wind besorgt. Es ist kein Claimschild gesteckt, weil ich die anderen nicht mehr erreicht habe. Das haben du und dein Freund ja verhindert. Komm jetzt. Oder hast du deine Meinung geändert?”
Der Abstieg ging langsam voran. Die Tiere sanken immer wieder mit den Vorderhufen ein, sie waren störrisch, hoch nervös und stemmten sich gegen die Zügel. Plaatje wurde von Minute zu Minute ungeduldiger und hieb schreiend auf sie ein. Jetzt, wo er das ersehnte Ziel vor Augen hatte, wo ihn nur noch eine kurze Wegstrecke von der Erfüllung all seiner Begierden trennte, erfasste ihn das Diamantfieber mit voller Wucht. Wenige sind dagegen immun, aber besonders verheerend zeigen sich seine Symptome bei der Plaatje Spezies. Das Fieber löst eine unkontrollierbare Gier aus, in der alle Werte und Gesetze wie in einer Springflut versinken. Die Möglichkeit, Diamanten ans Tageslicht zu befördern und in ihren Besitz zu bringen, stürzt die Befallenen in ungeahnte Abgründe von Verschlagenheit und Brutalität. Im gleichen Tempo, wie Habgier und Realitätsverlust den Befallenen in Besitz nehmen, verflüchtigt sich das rationale Denken und mit ihm die Vorsicht. Nichts trübt den Blick so sehr, wie das weiße Glitzern im Sand.
Endlich
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