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Dunkle Ernte

Dunkle Ernte

Titel: Dunkle Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mockler
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hatte jede Menge Zeit totzuschlagen. Erst am nächsten Tag würde der Konvoi mit den Hilfsgütern kommen, der ihn auf dem Rückweg in die ugandische Hauptstadt mitnehmen würde. Außerdem waren die Kinder nett. Trotz allem, was sie gesehen und durchgemacht hatten, konnten sie immer noch lachen, ganz besonders über den schwerfälligen blonden Riesen, den sie schwindelig spielen konnten.
    »Sie sehen aus, als würden Sie sich gut amüsieren«, rief Dr. Murcia von der Seitenlinie aus.
    Mit verlegenem Grinsen im Gesicht trabte Jack auf den Arzt zu. »Ich finde es schön zu sehen, dass sich diese Kinder trotz allem nicht unterkriegen lassen.«
    Dr. Murcia nickte. »Ist die Entzündung abgeklungen?«, erkundigte er sich. »Wenn ich wüsste, dass es etwas nützen würde, würde ich Ihnen raten, langsam zu machen und sich noch ein wenig Ruhe zu gönnen.«
    Jack hörte nicht hin, seine Aufmerksamkeit war schon wieder beim Spiel. »Los! Der Ausgleich muss her!«, rief er seinen Mannschaftskameraden zu und sah dann stirnrunzelnd sein Gegenüber an. »Verzeihung, Doktor, was haben Sie gesagt?«
    Dr. Murcia zuckte auf eine sehr spanische Weise die Achseln. »Nicht so wichtig. Morgen kommen die Trucks. Wir haben vereinbart, dass Sie nach Kampala mitgenommen werden. Außerdem haben wir der britischen Hohen Kommission per E-Mail mitgeteilt, dass Sie kommen.«
    »Gut, gut«, sagte Jack mit Blick auf das Spielfeld. Mit fuchtelnden Bewegungen trieb er die Jungen an. »Weiter! Weiter! He, das war ein Foul!«
    »Die wollen vielleicht genauere Auskünfte von Ihnen als wir, Jack«, fuhr der Arzt vorsichtig fort. »Vor allem wenn Sie Ihre Beretta mitnehmen wollen.«
    Die Waffe, die ihm Monsieur Blanc gegeben hatte! Jack hatte sie vollkommen vergessen, nachdem er sie in seinen Gürtel gesteckt hatte. Es war ihm gar nicht in den Sinn gekommen, danach zu sehen, als er aufwachte. »Behalten Sie sie ruhig«, sagte er. »Die gehört mir gar nicht. Ich habe sie im Dschungel gefunden.«
    Dr. Murcia nickte und stellte keine weiteren Fragen. Schade, dass der junge Mann offenbar nicht bereit war, sein Geheimnis zu lüften, fand er. Es wäre schon interessant gewesen, zu erfahren, was sich in den letzten vierundzwanzig Stunden da draußen im Dschungel zugetragen hatte.

66
    Britische Hohe Kommission, Kampala, Uganda
    Patrick Little, Sachbearbeiter bei der britischen Hohen Kommission in Kampala, achtete an diesem Morgen nicht besonders auf die hereinkommenden E-Mails. Er war viel zu beschäftigt damit, die Klimaanlage wieder in Gang zu setzen. Sie gab zu dieser feuchtheißen Jahreszeit regelmäßig den Geist auf. Es waren schon Handwerker da gewesen, die sie reparieren sollten, aber die hatten noch nicht einmal einen Schraubenschlüssel richtig herum halten können. Patrick Little hatte sie lieber wieder weggeschickt, bevor sie noch etwas kaputtmachten.
    Als er später am Nachmittag endlich dazu kam, in das Postfach zu schauen, warf er nur einen kurzen Blick auf die Mails, weil er mit den Gedanken schon längst wieder woanders war – in der Bar des Emin Pasha Hotels, dem bevorzugten Diplomatentreff der Stadt, wo bereits ein eisgekühlter Gin Tonic auf ihn wartete. Da war eine Nachricht vom Flüchtlingscamp Nummer siebzehn, die er kurz überflog. Ein Sanitätsoffizier teilte mit, dass sich ein britischer Staatsbürger im Lager aufhalte, der sich morgen in der Botschaft melden würde.
    Alles klar, dachte er, einen Klick von einer kurzen Antwort entfernt, wieder so einer von diesen Gutmenschen, die ihren Sommerurlaub damit verbrachten, in Afrika bei Hilfsprojekten mitzuarbeiten. Hauptsache, der stellte sich nicht neben ihn an die Bar, um ihn mit seinem pharisäerhaften Gequatsche zu belästigen, wie schrecklich die Bedingungen in den Camps seien und dass die Regierung einfach nichts unternehme. Doch dann las er weiter: »Er hat keine Papiere. Ein Tourist, der sich verlaufen hat.« Das war allerdings seltsam. Patrick Little fuhr sich mit seinen Stummelfingern durch die wenigen grauen Haare, die noch tapfer auf seiner Schädeldecke ausharrten. In der Gegend um das Camp Nummer siebzehn wurden keine geführten Touren angeboten. Weiter im Süden konnten die Ökotouristen Gorillas beobachten, aber nicht dort oben im Norden. Die Region war viel zu gefährlich. Er griff zum Telefon und rief Nick Clarke an, den verlängerten Arm des MI 6 in Kampala.
    »Hallo, Nick, hier ist Patrick.«
    »Patrick, was machen Sie denn noch im Büro? Normalerweise stehen Sie doch um

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