Dunkle Ernte
Röntgenapparat anwerfen, damit wir herausfinden, wie sich dieses Ding aus mir entfernen lässt?« Er deutete auf seinen Bauch.
»Der weiß, was er will, stimmt’s?«, sagte Anne zu Amanda gebeugt. Sie marschierte auf den kleinen Nebenraum zu. »Na, dann kommen Sie mal mit. Mands meint, das Ding sitzt irgendwo zwischen Magen und Dünndarm. Oberkörper freimachen, bitte. Wir sollten es beim ersten Mal lokalisieren, denn ich will Sie der Röntgenstrahlung nicht zweimal aussetzen. Falls wir es nicht finden, müssen wir Sie aufschneiden und so lange wühlen, bis wir es haben. Hier, ziehen Sie das über.« Sie reichte ihm eine Bleiweste, die vorne offen war, und streifte sich ebenfalls eine über.
»Stellen Sie sich dorthin.« Sie deutete in die Mitte des Raumes, richtete das große graue Stativ so ein, dass es auf seinen Bauch zeigte, und verließ den Raum. »Nicht bewegen«, ordnete sie an. Es zischte. Die Aufnahme war gemacht.
Jack spürte, wie sich etwas in ihm regte. Es folgte ein Moment der Ungewissheit, wie ein Nachthimmel kurz vor dem Feuerwerk. Dann krümmte er sich in einem explodierenden Schmerz, und gleißendes Licht blendete ihn.
Amanda stürzte durch die Tür. »Schnell, sofort auf die nächste Bank«, drängte sie und zog ihn am Arm mit sich. Jack taumelte mit hängendem Kiefer hinter ihr her und hievte sich auf eine der Laborbänke.
»Die Strahlung muss bei dem Ding irgendetwas ausgelöst haben. Wo ist der Schmerz, Jack? Konzentrieren Sie sich. Wo ist der Schmerz?« Anne drückte seinen Oberkörper auf die Arbeitsfläche und rieb ihm zur Desinfektion Ethanol auf den Bauch. Im Augenwinkel sah er ein Skalpell aufblitzen. Er versuchte zu antworten, aber es gelang ihm nicht. Irgendetwas bearbeitete seine Eingeweide wie ein Bäcker seinen Teig.
Die beiden Frauen hielten inne und starrten auf Jacks Bauch, der sich vor ihnen aufblähte wie ein Ballon.
»Jack, es tut mir leid, aber das wird jetzt wehtun. Anne wird dir ein Lokalanästhetikum spritzen, aber das wirkt nicht so schnell, und ich muss sofort mit dem Schneiden anfangen«, sagte Amanda.
Jetzt war es an ihr, kühl und effizient zu sein. Unter anderen Umständen wäre er beeindruckt gewesen. Im Augenblick aber wollte er nur, dass die Qualen aufhörten. Mit weit aufgerissenen Augen krallte er sich an den Rändern der Laborbank fest. Schau an die Decke , beschwor er sich. Schau an die Decke . Eine Nadel wurde ihm in die Seite gerammt. Eine Skalpellklinge, heiß und kalt zugleich, ein seltsames Gefühl plötzlich nachlassender Spannung in seinem Bauch, als das Gewebe durchtrennt wurde … Anne schob ihm einen Bleistift quer zwischen die Zähne, den er sofort zerbiss. Als Ersatz bekam er etwas Ledriges, einen Gürtel vielleicht. Atme, Jack, nicht das Atmen vergessen . Er biss die Zähne zusammen und blickte in die Neonlampen an der Decke, die sich vor seinen Augen in züngelnde Flammen verwandelten. Dann wurde es schwarz um ihn. Sein Körper entzog sich dem Schmerz auf die einzig mögliche Weise.
12
Aus dem hoch in der Luft kreisenden Helikopter blickte Sir Clive auf das Krankenhaus hinunter, zwei Schuhkartons aus Beton, die zu einem »T« angeordnet waren. Die winzigen Autos, die in ordentlichen Reihen nebeneinander parkten, sahen aus dieser Höhe wie bunte Bonbons aus. Der Pilot steuerte seinen Landepunkt an, das gelbe »H« auf dem Heliport, das ihnen entgegenzukommen schien. Beim Aufsetzen gab es einen Ruck.
Sir Clive kletterte hinaus und rannte über den Landeplatz, während noch die Rotoren über seinem Kopf dröhnten.
Der Geschäftsführer des Krankenhauses ergriff seine ausgestreckte Hand und schüttelte sie mit misstrauischem Nicken. Der Anruf, den er erst vor wenigen Minuten vom Leiter der Abteilung für Cyber-Terrorismus des MI 6 erhalten hatte, hatte ihn vollkommen unvorbereitet getroffen.
»Sie sagten am Telefon, dass für Personal und Patienten keine Gefahr bestehe! Sind Sie da absolut sicher?«, schrie er über den Lärm der Rotoren.
Sir Clive nickte. »Keine Gefahr. Aber wir haben nicht viel Zeit. Führen Sie mich zum Haupteingang.«
Der Krankenhausmanager lotste ihn ins Gebäude und drückte den Aufzugknopf. »Ich nehme an, Sie können mir nicht sagen, worum es geht?«, fragte er, ohne ernsthaft mit einer Antwort zu rechnen. Es kam ihm nur albern vor, stumm zu warten. Sir Clive musterte ihn, bemerkte seine klugen braunen Augen und den Anflug von Sarkasmus in seiner gehobenen Braue.
»Es halten sich hier Personen auf, die sich
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