Dunkle Ernte
Lippen, als er sich den Angreifern zuwandte. Dieses Lächeln war ihr regelrecht unheimlich.
Jack folgte Amanda durch die automatischen Türen zum Empfangsschalter. Es roch, wie immer in Krankenhäusern, unangenehm nach Desinfektionsmittel, Bleiche und Zitronenaroma.
»Würden Sie bitte Dr. Anne Fitzgerald Bescheid geben, dass Amanda Marshall da ist«, sagte sie. Die Frau hinter dem Schalter griff zum Hörer, ohne aufzublicken. Sie mussten nicht lange warten, da kam Dr. Fitzgerald durch die linke Tür gestürmt, das krause Haar in alle Richtungen abstehend, eine breitrandige Brille auf der Nasenspitze und ein Paar riesig wirkende Birkenstocks an den Füßen.
»He, Mands! Meine Güte, du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen. Ich dachte, Jack war derjenige, der diesen gewagten klinischen Versuch mitgemacht hat.« Sie drückte Amanda herzlich an sich, doch die hob nicht einmal die Arme. »Alles okay?«, fragte Anne mit prüfendem Arztblick, die Hände um Amandas Schultern gelegt. Amanda nickte schweigend, ohne ihr in die Augen zu sehen.
»Unsere Fahrt hierher war ein bisschen holprig«, mischte sich Jack ein. Ihm fiel auf, dass die Frau am Empfang allmählich auf sie aufmerksam wurde. »Dazu mehr, sobald wir unter uns sind.«
»In Ordnung, kommt mit«, sagte Anne, zog ihre Karte durch den Schlitz und lehnte sich gegen die Tür. Einen Arm beschützend um Amanda gelegt, bedachte sie Jack mit einem misstrauischen Blick über die Schulter.
Sie wanderten durch unzählige Flure, passierten schwere Schwingtüren, Aufzüge, Rollbahren und in ernste Debatten vertiefte Grüppchen von Ärzten. Anne Fitzgeralds Labor lag hinter dem Patiententrakt des Krankenhauses und war nur für Mitarbeiter zugänglich. Der Raum war relativ groß, gut beleuchtet, funktionell eingerichtet und sauber. In der Mitte standen zwei Laborbänke, ebenso an der Wand, darauf gleichmäßig verteilt Mikroskope und auf Regalen an der Wand ordentlich aufgereihte Paletten mit Petrischalen. An einem Ende schloss sich ein weiterer Raum an, durch dessen Tür Jack einen imposanten Apparat erkannte: das alte Röntgengerät.
»Schönes Labor«, bemerkte Jack.
»Danke. Ich teile mir den Raum mit zwei Kollegen. Aber die sind sonntags normalerweise nicht da.«
»Ich dachte, heute wäre Samstag«, wandte Jack ein, wobei er sich im Klaren war, dass sein Zeitgefühl im Augenblick nicht zuverlässig funktionierte.
Anne runzelte die Stirn und kratzte ihren Lockenwust. »Wirklich? Wenn Sie meinen.«
Jack fiel ein schmales Klappbett mit einer zerwühlten Decke auf, das in einer Ecke stand.
Anne folgte seinem Blick. »Manchmal vergesse ich die Zeit, wenn ich hier arbeite, dann lege ich mich dort aufs Ohr.« Sie öffnete einen Schrank und fing geschickt die Pflasterrollen und Aspirinschachteln auf, die ihr entgegenfielen. »Ich schaue mal, ob ich was für Amanda habe … hier«, fuhr sie fort und reichte Jack eine Flasche Brandy. »Schenken Sie ihr eine ordentliche Portion ein.« Jack sah sich nach einem Glas um, fand aber keines.
»Nehmen Sie ein Becherglas«, schlug Anne vor.
Amanda trank das Glas in einem Zug leer und schnappte nach Luft, so scharf brannte der Alkohol in ihrer Kehle. Doch ihre Wangen nahmen wieder Farbe an.
»So, und jetzt erzählst du mir, was dir dieses Scheusal angetan hat«, sagte Anne halb ernst, halb scherzend und deutete auf Jack.
Amanda schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht sicher, ob sie uns umbringen, kidnappen oder nur einen gehörigen Schrecken einjagen wollten. Vor ungefähr einer halben Stunde hatte ich jedenfalls die erste Prügelei seit meiner Kindheit, und zwar mit drei Männern, die definitiv mehr Erfahrung damit hatten als ich.«
Annes Augen weiteten sich. »Ach, du liebe Zeit. Und wo waren Sie?«
Amanda antwortete, ehe Jack reagieren konnte. »Jack hat sich wacker geschlagen. Ich vermute, dass er etwas mehr Kampferfahrung hat als ich. Wahrscheinlich sogar mehr als sie.«
»Sei nicht albern«, erwiderte Jack. Er war erleichtert, dass Amanda allmählich zu ihrer alten Bissigkeit zurückfand. »Und es sollte ganz sicher eine Entführung werden, kein Mord. Aber Sie hätten Mands mal sehen sollen, wie sie den Kricketschläger geschwungen hat. Die wussten buchstäblich nicht, wie ihnen geschieht.«
Amanda schüttelte den Kopf und goss sich noch einen Brandy ein, diesmal eine etwas bescheidenere Menge.
Jack wandte sich an Anne. »Ich möchte ja nicht unhöflich sein, aber könnten Sie vielleicht jetzt den
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