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Dunkle Ernte

Dunkle Ernte

Titel: Dunkle Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mockler
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Ankunft hatte ihn die Stadt mit ihren Bars und Bordellen, ihren Cafés und Galerien bereits voll in ihren Bann geschlagen. Die Tage verbrachte er brav im Priesterseminar, doch nachts zog es ihn in die Rue Mouffetard zu Strichmädchen und Kleinkriminellen, in die Gesellschaft von Glücksrittern, Studenten und bourgeoisen Intellektuellen auf der Suche nach dem schnellen Abenteuer. Hier verdiente er sein erstes Geld, kleine Beträge zunächst, mit Übersetzungsdiensten für illegale chinesische Einwanderer oder Geschäftsleute mit Auslandskontakten. Das war Taschengeld, bar auf die Hand, und ein gutes, neues Gefühl, plötzlich finanziell unabhängig zu sein. Je mehr er verdiente, desto weniger stark empfand er die Armut seiner Kindheit.
    Er schüttelte den Kopf, als könnte er damit sein Gedächtnis klären. Sobald man das Türchen auch nur einen Spaltbreit öffnete, drängten sofort die Erinnerungen hoch, gute wie böse. Zum Glück hatte er ohnehin selten Zeit zum Grübeln. Er trat ans Fenster, warf einen Blick auf die Park Lane hinunter, durch die dichter Verkehr strömte, und prüfte dann sein Handy. Eine Nachricht von seiner Quelle beim MI 6. Ziel befindet sich im Addenbrooke’s Hospital . Die Meldungen, die sie konstant lieferte, machten sie unbezahlbar. Ganz im Gegensatz zu dem Haufen Nieten, die er sonst für diesen Auftrag engagiert hatte, lauter ehemalige Soldaten und einen nervenschwachen Mediziner.

14
    MI6-Zentrale, Vauxhall, London
    Zum zweiten Mal in zwei Tagen wachte Jack auf, ohne zu wissen, wo er war. Diesmal sah der Raum weniger wie ein Krankenzimmer, sondern eher wie eine Gefängniszelle aus. Kahle graue Wände, keine Uhr, kein Tageslicht. Er schnellte hoch, und sofort schnitten ihm kalte Handschellen in die Unterarme und rasselten gegen das stählerne Bettgestell. Auf seinem Unterleib kreuzten sich zwei Operationsnähte. Er spürte einen dumpfen Schmerz unter der Haut, und der Faden spannte unangenehm, wenn er sich bewegte. Die Tür schwang auf.
    »Guten Abend, Mr Hartman.« Sir Clive kam auf ihn zu und löste eine der Handschellen. Da er Jack auf den Videoaufnahmen hatte kämpfen sehen, trat er sofort einen Schritt zurück, streckte ihm aber dennoch die Hand entgegen.
    Jack sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Wo war er? Und, was viel wichtiger war, wo war Amanda? »Die junge Frau, mit der ich zusammen war, und ihre Freundin, was haben Sie mit ihnen gemacht? Wenn Sie ihnen auch nur ein Haar gekrümmt haben, schwöre ich …« Auf seiner Stirn trat eine Ader hervor.
    »Keine Sorge, Mr Hartman. Wir sind die Guten. Gestatten, Sir Clive Mortimer, MI 6. Die Damen werden im Augenblick von einer Mitarbeiterin befragt. Kein Grund zur Beunruhigung. Eine sehr talentierte Chirurgin, Ihre Freundin. Das war hervorragende Arbeit unter schwierigen Umständen.« Er deutete vage auf die Nähte.
    Jack atmete geräuschvoll durch die Nase ein.
    »Kann ich Sie denn losmachen, ohne dass Sie gleich einen Karatewurf an mir ausprobieren?«, sagte Sir Clive in scherzhaftem Ton. Er ließ den jungen Mann nicht aus den Augen. Mit Sicherheit würde er in einem Kampf mit ihm bestehen, aber es war besser, kein Risiko einzugehen.
    Jack entspannte sich etwas.
    Sir Clive öffnete die Handschellen und beobachtete ihn misstrauisch, während er sich die Handgelenke rieb. »Wir werden uns jetzt ein bisschen unterhalten, Jack. Aber nicht hier. Sie wissen ja, Wände haben Ohren. Es gibt ein Restaurant nicht weit von hier, wo wir ungestört sind. Ich nehme an, Sie kommen um vor Hunger. Hier«, er warf Jack einen Anzug und ein frisches Hemd zu. »Versuchen Sie möglichst nicht zu bluten. Unser Budget ist begrenzt.«
    Sollte das ein Witz sein? Es nervte, wie der Mann versuchte, sich einzuschmeicheln. »Ich gehe nirgendwohin, ehe ich Amanda nicht gesehen habe«, stellte Jack klar. »Ich will sicher sein, dass es ihr gut geht.«
    »Ich dachte mir, dass Sie das sagen würden. Wir können im Befragungsraum vorbeischauen. Dann können Sie ihr Hallo sagen. Kommen Sie jetzt.«
    Jack zog sich vorsichtig an und versuchte dabei nicht vor Schmerz zu stöhnen. Man hatte ihn bandagiert und wahrscheinlich mit Schmerzmitteln vollgepumpt. Sir Clive ging voraus und klopfte an eine Tür ohne Schild. Amanda öffnete.
    »Jack!«, rief sie und fiel ihm um den Hals.
    Sir Clive wirkte irritiert.
    »Alles okay bei dir?«, erkundigte sich Jack. Sie hatte offensichtlich geweint.
    »Alles okay. Trotz Mr. Hände-hoch-oder-ich-schieße«, sagte sie mit

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