Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Ernte

Dunkle Ernte

Titel: Dunkle Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mockler
Vom Netzwerk:
Die Entscheidung war gefallen: Er würde Monsieur Blanc noch zwei Tage gewähren, mehr nicht. Dann würde er mit der firmeneigenen Maschine nach London fliegen, und wenn der Mann die zehn Module bis dahin nicht beisammen hatte, würde er eliminiert werden.
    Harvey atmete tief durch und stieg dann widerstrebend in sein Luxusgefährt. Vielleicht sollte er sich einen gebrauchten Armeejeep zulegen, das hier war doch etwas für Weicheier. Die Anstrengung hatte ihn ausgelaugt, aber das würde ihn nicht daran hindern, bei Juanita sein Glück zu versuchen, wenn er nach Hause kam.

19
    Weit von Los Angeles entfernt, unter dem trüben, grauen Himmel einer Londoner Vorstadt, öffnete Jack ein morsches Gartentor und ging auf die Eingangstür zu. Das Haus sah noch schlimmer aus als vor zwei Jahren, als er ausgezogen war. Von den Fensterbänken blätterte noch mehr Farbe, und auf dem vermoosten Dach hatten sich weitere Ziegel gelöst. Andere Häuser in der Straße waren offenbar saniert worden und wurden von jungen Familien bewohnt. Die baufällige Doppelhaushälfte seines Vaters dagegen sah aus, als wäre seit der Bauzeit in den dreißiger Jahren nichts daran getan worden.
    Er lehnte sich gegen die Türklingel und warf einen raschen Blick auf den Garten, der zugewuchert und ungepflegt aussah. Hoffentlich hatte sein Vater einen guten Tag. Dann bestand die Chance, dass er aus dem Bett aufgestanden war und vielleicht sogar geduscht und die Zähne geputzt hatte. An einem schlechten Tag würde er nicht an die Tür kommen, weil er im Suffkoma im Flur lag, inmitten leerer Billigbierdosen.
    Jack hatte mit Amanda vereinbart, dass sie in Cambridge blieb. Er war noch nicht bereit, sie seinem Vater vorzustellen. Vielleicht würde es nie dazu kommen, ganz gewiss jedoch nicht in einer so frühen Phase. Außerdem war er nicht gerade stolz auf das Haus, das sein Vater für die Familie gekauft hatte, als Jack etwa fünfzehn gewesen war. Schon gar nicht in dem Zustand, in dem es sich heute befand.
    Immer noch keine Reaktion. Er ließ den Finger auf dem Klingelknopf, weil er genau wusste, wie sehr sein Vater das Geräusch hasste. Irgendwann war auf der Treppe ein Poltern zu hören, und durch den Glaseinsatz in der Tür erkannte er einen Schatten. Die Tür öffnete sich, und Archie erschien unrasiert und mit zerzausten Haaren, alles andere als vorzeigbar. Er trug einen Bademantel und darunter Bermuda-Shorts und ein Hawaiihemd.
    »Jack«, sagte er und kratzte sich am Kopf, als versuchte er sich an etwas zu erinnern. »Solltest du nicht in Oxford sein?«
    Jack seufzte. »Cambridge, Dad. Ich studiere in Cambridge. Ich dachte, ich besuch dich mal.« Er schob sich an seinem Vater vorbei ins Haus. »Wie geht’s dir so?«, fuhr er fort und schaute sich kritisch um.
    Die Räume gehörten gelüftet, aber ansonsten sah es gar nicht so schlimm aus. Die Möbel, die noch seine Mutter ausgesucht hatte, ehe sie gegangen war, standen immer noch original verpackt im Wohnzimmer. Die Wände im Flur strahlten zur Hälfte in Grellorange, noch immer unvollendet, so wie sein Vater sie vor Jahren im Vollrausch angepinselt hatte. »Wie ich sehe, bist du mit dem Renovieren nicht ganz fertig geworden«, sagte Jack.
    »Nein, mein Sohn, du wirst es nicht glauben, aber ich hab so viel zu tun mit meinem neuen Job.«
    Jack glaubte das tatsächlich nicht, aber das behielt er lieber für sich.
    »Darf ich dir was zu trinken anbieten?«, fuhr Archie fort, öffnete den Kühlschrank und nahm mehrere Flaschen Bier heraus.
    Jack sah auf die Uhr. Neun Uhr morgens. Er schüttelte den Kopf.
    »Bedien dich«, bot sein Vater an und suchte in einer Schublade nach einem Öffner. Als er keinen fand, biss er den Verschluss mit den Zähnen auf. In zwei Zügen hatte er die erste Flasche geleert. Er rülpste. »Ich hätte aber auch Tee da. Du hast nicht zufällig Milch mitgebracht?«
    Jack schüttelte den Kopf.
    »Im Schrank dürfte noch etwas von dem Pulverzeug sein.«
    Jack fand eine Packung mit verklebtem, vergilbtem Etikett. Er gab zwei Löffel von dem weißen Pulver in den Tee. Ein paar weiße Flocken, die sich nicht lösen wollten, schwammen an der Oberfläche.
    »Was ist das denn für ein neuer Job, Dad?«, erkundigte er sich und reichte seinem Vater den Teebecher.
    Archie sah ihn aufmerksam an, die blutunterlaufenen Augen voller Konzentration, als nähme er seinen Sohn in diesem Moment zum ersten Mal richtig wahr.
    Jack trug immer noch den schlechtsitzenden Anzug, den ihm der MI 6 geliehen

Weitere Kostenlose Bücher