Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Ernte

Dunkle Ernte

Titel: Dunkle Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mockler
Vom Netzwerk:
hatte, und einen Eins-a-Robinson-Crusoe-Bart. Außerdem war er ziemlich blass.
    Archie hätte ihn gern gefragt, was los war, fürchtete aber, scheinheilig zu wirken. Schließlich hatte er zwei Jahre lang nicht danach gefragt, wie es seinem Sohn ging. »Komm mit nach oben, dann zeige ich es dir«, sagte er. »Aber Achtung, auf der Treppe steht ein Aschenbecher.«
    Jack überstieg die dritte Stufe, auf der ein Teller voller Asche und Kippen stand, und folgte seinem Vater in das ehemalige Gästezimmer.
    »Das ist meine Kommandozentrale«, verkündete Archie stolz. Ein Schreibtisch stand am Fenster, zwei weitere an den Wänden. Vier Monitore waren auf dem Schreibtisch am Fenster aufgebaut, darunter zwei PC -Tower. Auf jeder verfügbaren Oberfläche häuften sich Schreibblöcke, Stifte, dicke Bücher und Aschenbecher. Auf dem Boden lagen leere Bierflaschen und Ausgaben der Financial Times verstreut. Jack sah auf einen der Bildschirme. Er zeigte den Leitindex des britischen Aktienmarktes, den Financial Times Stock Exchange 100, mit seinen aktuellen Kursen. Auf einem anderen Bildschirm ging es um Öltermingeschäfte, ein Fenster zeigte die neuesten Finanznachrichten des Nachrichtenmagazins Bloomberg, ein anderes die der Agentur Reuters.
    Jack wusste nicht, was er sagen sollte. War sein Vater irgendeinem geschickten Betrüger zum Opfer gefallen? Hatte er sich von einem Vertreter überreden lassen, Tausende von Pfund in ein Home Office zu investieren? War er dem Werbeversprechen auf den Leim gegangen, man könne bequem von zu Hause aus mit Börsenspielen ein Vermögen verdienen?
    »Ich weiß jetzt Bescheid, mein Sohn«, erklärte sein Vater voller Stolz.
    »Worüber?«, fragte Jack. Er war hergekommen, um sich einen Rat zu holen, aber so wie es aussah, war sein Vater derjenige, der Hilfe brauchte.
    »Ich weiß jetzt, wo das Geld liegt. Hier, es steckt in diesen kleinen Zahlen, die da über die Schirme laufen. Das weiß ich jetzt. Das Geld wartet nur darauf, dass man es nimmt.«
    Jack sah auf die Monitore, dann wieder auf seinen Vater, in dessen Augen der fiebrige Eifer eines frisch bekehrten Konvertiten glomm. Er schüttelte den Kopf. Hatte er wirklich geglaubt, es wäre eine gute Idee hierherzukommen?
    »Du glaubst mir nicht? Ich kann’s dir nicht verdenken. Aber siehst du die Koffer da oben auf dem Schrank? Die sind bis zum Rand voll mit Bargeld.«
    »Natürlich, Dad«, erwiderte Jack.
    »Ich habe an der Börse spekuliert«, erklärte Archie, zog eine neue Flasche Bier aus seinem Morgenmantel und setzte sie an den Mund. »Anscheinend habe ich Talent dafür. Man sitzt einfach da und beobachtet, was passiert. Optionshandel, Leerverkäufe, hier und da ein paar Differenzgeschäfte.«
    Jack nickte düster. Nachdem sein Vater mit Anfang vierzig aus der Armee ausgeschieden war, hatte er sich immer wieder auf Unternehmungen eingelassen, die schnellen Reichtum versprachen, hatte Hunde gezüchtet und eine Schneckenfarm betrieben. Den Pub, bei dem er sich eingekauft hatte, hatte er am Ende in den Ruin gesoffen. Es dauerte nicht lange, da hatte er auch die Ersparnisse seiner Frau durchgebracht. Zumindest schien die Sache diesmal halbwegs harmlos – solange er nur sein eigenes Geld aufs Spiel setzte.
    »Und zur Sicherheit hast du deine ganze Barschaft in Koffer gepackt?«, fragte Jack sarkastisch.
    Sein Vater schüttelte den Kopf. »Nein, nein«, entgegnete er schnell, als wäre Jacks Frage völlig absurd. »Das ist nur ein Bruchteil vom Ganzen. Ich habe meinen Banker angerufen und gebeten, von meinem Konto etwas mitzubringen.« Er sah plötzlich verlegen aus. »Ich wollte mich vergewissern, dass es wirklich da ist, dass ich mir nichts vormache. Du weißt, wie konfus ich nach ein paar Bier sein kann. Jedenfalls war er von der Idee ganz begeistert und tauchte sogar höchstpersönlich auf, und zwar – du wirst es nicht glauben – in einem gepanzerten Fahrzeug.« Er lachte.
    »Bist du sicher, dass er nicht auf einem rosa Elefanten angeritten kam?«, fragte Jack mit unbewegter Miene.
    Archie tat, als hätte er nichts gehört, und trank den letzten Schluck Bier. »Brauchst du was? Bisschen Unterstützung bei diesen horrenden Gebühren, die sie in Oxford nehmen?«
    »Cambridge, Dad, ich bin in Cambridge. Und danke, nein, ich brauche nichts«, wehrte Jack ab. Er wollte das Gesicht seines Vaters nicht sehen, wenn er die Koffer öffnete und nichts fand außer mottenzerfressenen Uniformen und ein paar Andenken an seine Frau.
    Archie nickte,

Weitere Kostenlose Bücher