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Dunkle Ernte

Dunkle Ernte

Titel: Dunkle Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mockler
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Freunde bei Centurion zu übernehmen. Freunde? Nein – Freunde waren etwas anderes, korrigierte sich Sir Clive, es sei denn, man war der Meinung, dass Freundschaft käuflich war.
    Harvey Newman hatte ihn vor ein paar Jahren auf einer Messe, bei der Defence Fair in Houston, angesprochen. Den Begriff fair hatte Sir Clive im Zusammenhang mit Rüstungsmessen immer unpassend gefunden. Bei den jährlichen Verkaufskonferenzen kam die Rüstungsindustrie zusammen und stellte ihre neuesten Waffensysteme vor, errichtete imposante Stände, um Regierungen, Despoten oder auch paranoide Milliardäre davon zu überzeugen, dass sie unmöglich auf diesen brandneuen lasergesteuerten, teflonbeschichteten, panzerbrechenden Flugkörper verzichten könnten. Mit elegantem Anzug und strahlendem Lächeln erläuterten die Verkäufer fachmännisch, wie sich letale Wirkung und nichtzivile Verluste maximieren ließen.
    Sir Clive war aus dienstlichen Gründen da gewesen, allerdings nicht um zu kaufen, sondern um den Markt zu sondieren. Vieles von dem, was der MI 6 an Waffen einsetzte, hatte man selbst entwickelt, aber so eine Messe war eine gute Möglichkeit, Ideen zu sammeln und zu sehen, was sonst noch so angeboten wurde. Außerdem war es interessant zu beobachten, wer dort einkaufte.
    Er war überrascht gewesen, als ihn ein Fremder ansprach, der sich als Harvey Newman vorstellte. Noch mehr hatte ihn überrascht, dass der Mann seinen Namen kannte. Ich werde Sie nicht lange belästigen, Sir Clive, ich weiß, Sie sind ein viel beschäftigter Mann . Sir Clive war zwar nicht inkognito unterwegs, aber er trug auch kein Namensschild am Revers. Außerdem war er unter falschem Namen in die USA eingereist. Einem ersten Impuls folgend, hatte er sich in der Halle umgesehen, ob er eine Falle befürchten musste, hatte sich die Ausgänge eingeprägt und überlegt, wie er am besten nach draußen gelangen könnte.
    Harvey war sein verstohlener Blick nicht entgangen. »Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken«, sagte er ruhig und hielt Sir Clive seine Visitenkarte entgegen. »Ich bin geschäftlich hier. Meine Firma hat auf der anderen Seite der Halle einen Stand.«
    Sir Clive las die Karte: CENTURION , Strategie, Verteidigung und integrierte Waffensysteme . Ein bekannter Name, ein Big Player der amerikanischen Rüstungsindustrie. Deckte fünfzig Prozent aller Verträge mit der US-Regierung über die Absicherung von Ölfirmen im Irak. Das Unternehmen hatte es sogar geschafft, dass nie offiziell gegen seine Einsatzkräfte ermittelt worden war, obwohl behauptet wurde, dass einigen von ihnen der Finger ziemlich locker am Abzug saß.
    »Ich will Ihnen auch nichts verkaufen«, fuhr Harvey mit einem breiten Grinsen auf seinem sonnengebräunten Gesicht fort. »Ich würde Sie gern auf einen Kaffee einladen und dabei ein bisschen erzählen, was meine Firma macht. Vielleicht berühren sich ja unsere Interessen an der einen oder anderen Stelle.« Er hielt sich bewusst bedeckt, hoffte aber, dass der Brite verstand, dass da etwas für ihn herausspringen könnte.
    Sir Clive nickte. Ihm war nicht entgangen, wie lässig der Mann meine Firma gesagt hatte, als wäre ein milliardenschweres Unternehmen etwas, das man sich nebenbei zulegte. Er sah auf die Uhr. Ein paar Stunden blieben ihm noch, ehe er seinen Heimflug antreten musste. Und im Grunde genommen war der Mann kein Unbekannter. »Nun, warum nicht?«, erwiderte er.
    Harvey hatte seine Hausaufgaben gemacht, bevor er den Mann vom MI 6 angesprochen hatte. Er wusste, dass Sir Clive sich mit seiner schroffen Art so viele Feinde beim Geheimdienst Ihrer Majestät gemacht hatte, dass er mit Sicherheit nie zum Generaldirektor befördert werden würde und dass sein Gehalt ein Witz war im Vergleich zu dem, was er bei einer privaten Sicherheitsfirma verdienen könnte. Harvey wusste außerdem, dass er ein kompetenter und geschickter Planer war, skrupellos, wenn es sein musste, und nie um kreative Ideen verlegen. Dass er fähig war, Probleme zu antizipieren und Lösungsstrategien für sie zu entwickeln, ehe sie aus dem Ruder liefen, während andere noch gar nicht begriffen hatten, dass etwas schiefzugehen drohte.
    Jeder Mensch hatte seinen Preis, und was die Vorstandsmitglieder von Centurion jährlich verdienten, war vermutlich wesentlich mehr als alles, was Sir Clive in seinem ganzen Leben vom Secret Service bekommen würde. Doch Harvey wusste, dass er mit Geld allein nicht zu ködern wäre. Er war kein Söldner, sonst hätte

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