Dunkle Ernte
»Keine Regierung, weder Ihre noch meine, würde ein militärisches Eingreifen billigen, um die Lieferung eines Metalls zu gewährleisten, mit dessen Hilfe Waffen gebaut werden«, erwiderte er schnell. »Die UN -Friedenstruppen sind noch nicht einmal lange genug in der Region geblieben, um den Schutz der Zivilbevölkerung zu garantieren.« Er schwieg nachdenklich. »Aber wenn die Sicherheit britischer oder amerikanischer Staatsbürger akut gefährdet wäre, könnte man sie überzeugen, verdeckt zu operieren. Die Gefährdung müsste allerdings beträchtlich sein. Das wäre eine Lösung – eine geheime Operation statt eines offiziellen Militäreinsatzes.«
Harvey nickte zufrieden. Er hatte den Mann richtig eingeschätzt. Man musste ihm nur eine knifflige Aufgabe stellen, damit er anbiss. Er gehörte zu der Sorte Mensch, die einer Herausforderung nicht widerstehen konnte.
Auf dem Flug nach Hause dachte Sir Clive über das Angebot nach. Die Entlohnung wäre mehr als fürstlich, der Interessenskonflikt mit seiner Tätigkeit für den MI 6 beträchtlich, aber nicht unüberwindlich, solange er sich diskret verhielt. Er hatte die Hälfte seines Berufslebens damit verbracht, im Verborgenen zu wirken, hatte einige Male für Regierungsmitglieder und hohe Beamte seine Beziehungen spielen lassen, obwohl er genau wusste, dass ihre Motive eher privater denn politischer Natur waren. Außerdem würde ihm jetzt, da er die neue Abteilung für Cyber-Terrorismus leitete, ohnehin niemand mehr in die Suppe spucken. Im Grunde genommen war er sein eigener Boss, und sein Auftrag bestand darin, mit Hilfe seines Verstandes und seiner Routine die vermeintliche oder echte Bedrohung durch Terror aus dem Internet zu lokalisieren und zu neutralisieren.
Es sprach nichts dagegen, dass er nebenbei für eine große Rüstungsfirma ein wenig beratend tätig war und sich ein kleines Zubrot verdiente, um die magere Pension aufzustocken, die er vom Secret Service bekommen würde. Er lehnte sich im Sitz zurück und bedeutete der Stewardess, ihm einen Whisky zu bringen, den er in kleinen Schlucken trank – ein seltener Moment der Entspannung.
Welche Motive dieser Harvey Newman und seine Firma auch immer verfolgten – wenn sie Erfolg haben wollten, gab es nur eine einzige Strategie: Clement Nbotou musste besiegt und abgesetzt werden. Und dabei würde er ihnen nur allzu gern behilflich sein.
29
Marshall Airfield, Cambridge
Archie Hartman und das Überwachungsteam vom MI 6 mussten dem Mercedes nicht lange nachfahren. Fünf Kilometer außerhalb von Cambridge bog der Wagen auf einen Privatflugplatz ein. Dort wartete ein gecharterter Jet, der Monsieur Blanc und seine Fracht nach Afrika bringen sollte.
»Ziele um einundzwanzig Uhr am Flugplatz eingetroffen. Keine der Maschinen hat bislang abgehoben«, meldete einer der MI 6-Offiziere in sein Funkmikro. Sie hatten abseits der Haupteinfahrt geparkt, rund um dem Flugplatz Stellung bezogen und ihre Nachtsichtgeräte auf die Privatmaschinen gerichtet, die aufgereiht am Rand des Rollfelds standen.
»Behalten Sie die Lage im Auge«, erwiderte Sir Clive. »Wir werden über Satellit verfolgen, welche Maschinen in den nächsten paar Stunden mit welchem Ziel abheben. Sehen Sie zu, dass Sie die Leitwerknummern herausbekommen.« Er wusste genau, dass der Flug in den Ost-Kongo gehen würde, zu dem privaten Flugfeld, das sich Clement Nbotou hatte bauen lassen. Der Unternehmergeist dieses Mannes war wirklich bewundernswert. Das Rollfeld gab ihm die Möglichkeit, Waffen und sogar schwere Rüstungsgüter einfliegen und das Coltan abtransportieren zu lassen, ohne dass der Staat sich einmischen konnte. Das verschaffte ihm einen erheblichen Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten.
»Eins noch, Sir Clive«, meldete sich der Offizier erneut. »Außer uns beobachtet noch jemand den Flugplatz. Sein Wagen hatte sich an den Mercedes gehängt. Allerdings ziemlich unauffällig. Erst war er hinter uns, dann vor uns, und zum Schluss hat er sich abhängen lassen. Klassische Überwachungsmethode.«
Sir Clive schürzte die Lippen. »Versuchen Sie möglichst nah an ihn heranzukommen, aber lassen Sie sich auf keinen Fall entdecken. Unser Hauptziel bleibt Monsieur Blanc.« Er hatte einen Verdacht, wer der unerwartete Beobachter sein könnte, aber er rechnete seinetwegen nicht mit Schwierigkeiten. Jacks Vater war schon so lange Alkoholiker, dass er für diese Mission mit Sicherheit keine Bedrohung darstellen würde. Und falls er wider
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