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Dunkle Ernte

Dunkle Ernte

Titel: Dunkle Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mockler
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sie ihm wieder eine Spritze verpassen, wenn er versuchte ihn anzusprechen? Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
    »Sir, Sir«, flüsterte er heiser. Es war besser, möglichst höflich zu beginnen. Niemand rührte sich. Vom vorderen Ende des Passagierraums drang leises Schnarchen zu ihm. Monsieur Blancs runder Kopf ruhte schwer auf dem feisten Nacken.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte er etwas lauter. Das Schnarchen endete abrupt mit einem Grunzen.
    »Hallo! Ist da wer?« Keine Antwort. »Bitte entschuldigen Sie die Störung, aber könnte ich vielleicht etwas zu trinken haben? Nur etwas Wasser, bitte?« Er hörte, wie ein Ledersitz knarzte. Schritte näherten sich auf dem Teppich. Dann stand der Chinese über ihm und rieb sich die Augen. Er hatte sein Jackett ausgezogen und sah in Hemd und Hose seltsam privat aus, fast verletzlich. Wie schade, dass Jack ihm jetzt nicht einfach die Faust ins Gesicht rammen konnte. Der Chinese blickte mit einem verächtlichen Schnaufen auf ihn herab und verschwand wieder. Hoffentlich ging er nicht die Spritze holen. Jack wollte nicht, dass das Letzte, was er in seinem Leben sah, das Gesicht eines fettleibigen Waffenhändlers war, der ihm eine Spritze in den Nacken jagte. Stattdessen kam er mit einem Glas Wasser zurück und kniete sich neben Jack auf den Boden. Im Dämmerlicht konnte Jack seine Augen nicht sehen, nur zwei dunkle Höhlen unter schweren Lidern.
    Monsieur Blanc musterte ihn eine Zeitlang, ehe er ihm das Glas an den Mund hielt. Es war besser, seine Arme nicht loszumachen. Sonst hätte er sie binnen Sekunden an der Kehle. Jack trank gierig, etwas von der kalten Flüssigkeit tropfte an seinem Kinn herab. Monsieur Blanc tupfte es mit einer Papierserviette weg. Eine seltsam fürsorgliche Geste. Statt sich schnell zu erheben, blieb er hocken und betrachtete den jungen Mann.
    »Danke«, sagte Jack. Zum ersten Mal fiel ihm der Geruch auf. Der schwere, süße Duft von Rosen, vermischt mit etwas anderem, etwas Widerlichem. Es war ein Mundgeruch, der einen Elefanten umgehauen hätte, schlimmer als der seines Professors im King’s College. Jack drehte unwillkürlich den Kopf weg, holte tief Luft und räusperte sich. »Das ist ganz schön mutig, was Sie da tun. Sehr mutig sogar«, sagte er und nickte langsam mit dem Kopf, ohne den Chinesen anzusehen.
    Monsieur Blanc runzelte die Stirn. Wovon redete der Kerl?
    Jack fuhr fort zu nicken und hielt den Blick abgewandt. Es sollte so aussehen, als wäre er kurz davor, die Nerven zu verlieren. »Ich meine diesen Auftrag. Die zehn Module. Die … Internetbombe.« Er schüttelte den Kopf und lachte kurz auf. »Das muss man diesen James-Bond-Typen lassen, sie müssen Ihnen ein wirklich gutes Angebot gemacht haben.«
    Monsieur Blanc blieb auf Jacks Höhe und lehnte sich gegen das Gepäckregal. Jack lachte leise in sich hinein, sodass sein ganzer Körper zuckte. Das Lachen wurde schließlich lauter und wilder und mischte sich mit der Hysterie, die er in den letzten paar Tagen ständig in sich gespürt und immer unterdrückt hatte. Am Ende brach er in Tränen aus, die ihm über die Wangen rannen. Er zuckte und bebte, während ihm Monsieur Blanc gegenübersaß und ihn mit unbewegter Miene beobachtete.
    »Mal ehrlich, wer würde denn auf so was hereinfallen?«, brachte Jack schließlich wieder heraus, wobei die letzten Worte in Keuchen untergingen. »Sie trauen sich wirklich was«, fügte er hinzu. »Wem um alles in der Welt wollen Sie die Dinger verkaufen? Die werden nicht gerade begeistert sein, wenn sie feststellen, dass man sie hinters Licht geführt hat. Wie viel bekommen Sie dafür? Genug, um hinterher für immer von der Bildfläche verschwinden zu können?«
    Monsieur Blanc stand auf und ging zurück zu seinem Platz. Er hatte genug gehört. Der junge Mann war kurz davor durchzudrehen. Er hatte das oft genug miterlebt, um die Anzeichen zu erkennen; oft genug hatte er Menschen sogar selbst an den Rand des Nervenzusammenbruchs gebracht. Trotzdem mochte stimmen, was er sagte. Monsieur Blanc lehnte sich im Sitz zurück und trommelte mit den Fingern auf der Armlehne. Im Augenblick konnte er ohnehin nichts tun, außer den Piloten zu bitten umzukehren, doch der Pilot stand im Sold der amerikanischen Firma, die ihn, Monsieur Blanc, damit beauftragt hatte, die zehn Module zu stehlen. Der Mann würde keine Befehle von ihm annehmen.
    Monsieur Blanc dachte an die Treffen mit dem namenlosen Amerikaner von Centurion – einem grauen Mann

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