Dunkle Ernte
zu.
»Wie ist dein Zimmer, Bob?«, erkundigte sich Harvey, ohne auf die Unterlagen einzugehen.
»Alt und verstaubt. Mit Himmelbett und Bildteppichen an den Wänden. Wie in einem dieser Gespensterfilme aus den Siebzigern.«
»Meins auch, ist das nicht toll? Ich fühle mich wie Heinrich der Achte.«
»Hat dir Sir Clive gesagt, wann er kommt?«, fragte Bob, nahm sich eins der angerichteten Sandwiches vom Teller und biss hinein. »Was ist das denn?« Er zog sich mit angewiderter Miene ein Stück Gurke aus dem Mund. »Wie kann man denn um Himmels willen Gurke in ein Sandwich packen? Gibt’s in diesem Land kein Salt Beef?«
Harvey lachte so, dass er sich kaum beruhigen konnte. »Hier, versuch die mal. ›James‹ hat mir erzählt, dass sie sie mit einheimischem Käse und hausgemachten Pickles machen.«
»Pickles?«, echote Bob skeptisch.
»Sauer eingelegtes Gemüse. So was wie Relish. Die sind jedenfalls nicht schlecht.« Er schob seinem Kollegen den Teller zu. »Sir Clive hat mich vorhin angerufen und gesagt, dass er auf dem Weg hierher ist. Sie kommen mit einem Chinook-Transportheli. Seine Kumpels aus dem Kabinett haben zugestimmt, und er hat einen kleinen Spezialtrupp zusammengestellt. Zehn Mann. Er meint, sie seien die Besten.«
»Hm«, machte Bob unbeeindruckt. »Hoffen wir, dass sie besser ausgebildet sind als die Leute, die diese Sandwiches gemacht haben.«
Sir Clive sah zu, wie London unter dem Helikopter kippte. Die Themse teilte die Stadt wie ein geschwungenes silbernes Band. Er hatte Ed Garner an Bord und ein eilends zusammengerufenes Spezialistenteam aus den Chelsea Barracks: Sprengstoffexperten, Mediziner, Linguisten, Soldaten, die mehr mitbrachten als nur physische Kraft und den unbedingten Willen, sie einzusetzen – und die Erfahrung mit der Region hatten. Ed Garner würde sie führen.
Die Sitzung im Kabinett war gut verlaufen. Der Premierminister war ebenfalls der Meinung gewesen, dass hier britische Sicherheitsinteressen betroffen wären, und hatte den Einsatz gebilligt. Dr. Calder hatte ihm ein paar Satellitenbilder von Clements Camp und dem nahe gelegenen Flugfeld gezeigt und erläutert, wie sie vorgehen würden. Das Einsatzteam würde nachts mit dem Fallschirm abspringen, mit Wärmebildkameras die Abläufe im Camp verfolgen und sich ein Bild über dessen Grundriss machen.
Ein Absprung im Dschungel war immer eine heikle Angelegenheit. Wenn einer der Männer die Landezone verfehlte, hing er möglicherweise für den Rest der Nacht in einer Baumkrone. Würde er entdeckt, wäre der Einsatz massiv gefährdet.
Zwei Kilometer vom Camp entfernt hatte Dr. Calder eine Lichtung ausgemacht. Offenbar waren die Bäume für den Abbau von Coltan gefällt worden, aber inzwischen lag die Stelle verlassen da. Es war im weiten Umkreis der beste Platz, um die Männer abzusetzen.
Dass sie für einen offenen Kampf nicht genug Männer hatten, war klar. Doch der SAS -Einsatztrupp verfolgte ohnehin ein anderes Ziel. Der Plan war, an verschiedenen Stellen des Flugfeldes Sprengstoff zu verteilen. Es sollte etwa eine Stunde lang Explosionen und Blitze geben, ein Höllenfeuerwerk, das die Landebahn jedoch nicht beschädigen sollte. Nbotou würde sofort seine Milizionäre hinschicken, denn er durfte nicht riskieren, dass sein Flugfeld zerstört würde, der Schlüssel zu seinem finanziellen und militärischen Erfolg. Ein Ring von M16-Springminen würde die Verwirrung zusätzlich erhöhen. Jedes Mal, wenn eine detonierte, schnellten in Hüfthöhe Hunderte von Kugeln los. Diese Antipersonenminen hatten einen Explosionsradius von fast zweihundert Meter und machten somit nicht nur den Menschen zum Krüppel, der auf sie trat, sondern auch alle anderen, die sich zufällig in der Nähe befanden.
Im Schutz dieser Ablenkung würden sie das Camp selbst angreifen. Und hier würden die Detonationen sehr wohl Schaden anrichten. Vier Sprengsätze würden die Außenmauer zerstören. Mit Panzerfäusten würden sie das Hauptgebäude demolieren. Kernziel ihrer Taktik war es aber, Panik unter den Kindersoldaten auszulösen. Sir Clive rechnete damit, dass viele von ihnen Hals über Kopf in den Dschungel flüchten würden, sobald sie einem echten, bis an die Zähne bewaffneten Feind gegenüberstanden. Einem kongolesischen Bauern die Knarre vors Gesicht zu halten war ein Leichtes. Doch wohin zielen, wenn förmlich aus dem Nichts die britische Armee auftauchte? Mit Sicherheit würden sie wild durcheinanderballern und viele Verluste durch
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