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Dunkle Ernte

Dunkle Ernte

Titel: Dunkle Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mockler
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in den Hörer.
    Der dumpfe Schlag einer schallgedämpften Waffe ertönte dreimal kurz hintereinander.
    Sir Clive verkrampfte sich. »Was ist, Denbigh? Haben Sie ihn erwischt?«
    Oliver sah zu, wie der Jubel – die Trunkenheit, das rhythmische Trommeln auf den Ölfässern – allmählich erstarb. Die Trommelschläge gerieten aus dem Takt und verstummten schließlich. Nbotou lag mit geborstenem Kopf leblos auf dem Boden. Nur seine linke Hand regte sich noch, ein letzter zuckender Gruß seiner Nervenzellen.
    »Er ist tot. Der General ist tot«, sagte Oliver. Seine Stimme klang, als gehörte sie jemand anders.
    »Ausgezeichnet. Hervorragende Arbeit. Bleiben Sie bis Einbruch der Nacht auf Ihrer Position, und begeben Sie sich dann zum Sammelpunkt.« Sir Clive legte auf. Jetzt musste der Soldat allein klarkommen. Man konnte einem Mann nicht endlos Händchen halten.
    Er wählte Harveys Nummer.
    »Harve«, sagte er in freundschaftlichem Ton, weil er wusste, dass der Amerikaner sich gern so ansprechen ließ. »Gute Nachrichten. Sie können Phase zwei einleiten. Nbotou ist ausgeschaltet, sein Camp zerstört, die Hälfte seiner Armee davongelaufen oder tot. Sie können jetzt Ihren befreundeten ugandischen Milizenchef hinschicken, um das Camp zu übernehmen und das begehrte Coltan an Sie auszuliefern.«
    Oliver Denbigh blickte auf die Menschen hinunter, die mit ausgestreckten Armen zu ihm hochzeigten und ihre Waffen anlegten. Er hörte das Knattern der Schüsse, doch er wusste, dass sie ihm nichts anhaben würden, denn er war unbesiegbar. Die Kugeln würden an ihm abprallen, das hatte ihm das schrecklich grinsende Gesicht in dem Kevlarhelm gesagt. Er stand auf seinem Ast auf und beugte sich vor, zog sein Messer aus der Scheide und klemmte es sich zwischen die Zähne. Jetzt einfach mitten hineinspringen und sie alle niedermetzeln. Die Stimme von Sir Clive sprach immer noch in seinem Kopf und gab ihm in herrischem Ton klare Anweisungen. Er ließ sich fallen und hörte den Wind in seinen Ohren rauschen. Doch die Kugeln spürte er nicht, auch nicht den Schmerz, als sie seinen herabstürzenden Körper durchsiebten.

62
    Der Weg, dem Jack folgte, schien regelmäßig benutzt zu werden. Es bestand also durchaus die Gefahr, dass er mitten in der Wildnis jemandem in die Arme lief. Die Wunde in seiner Seite juckte und sonderte ein gelbliches Sekret ab. Das war kein gutes Zeichen. Sein Körper fühlte sich heiß an, selbst in Anbetracht der hohen Temperatur, die um ihn herum herrschte. Da waren Pflanzen mit hinterhältigen Stacheln, die ihm gefährlich nahe kamen, und im Unterholz raschelten Giftschlangen. Vielleicht hätte er sein Glück doch lieber auf der Straße versuchen sollen.
    Er blieb stehen, um gegen einen Bambustrieb zu schlagen, der hohl, aber gedämpft klang, ein Zeichen dafür, dass er Wasser enthielt. Jack durchschnitt den faserigen Stamm, bis Wasser herausschoss, der Regen der letzten Nacht. Er hielt sein Gesicht in den nassen Strahl und trank gierig. So war es schon besser. Das Wasser war zwar warm, wirkte aber dennoch kühlend auf seiner Haut. Er nahm eine Grille von einem nahen Ast und biss hinein. Der Geschmack war widerlich bitter, aber er brauchte dringend Eiweiß. An einem Baumstamm wanderten Ameisen entlang, die fast drei Zentimeter lang waren. Er pflückte sie eine nach der anderen von der Rinde ab, zerkaute und schluckte sie mit zusammengebissenen Zähnen. Dass sein Vater bei den Special Forces gewesen war, kam ihm jetzt zugute. Er war mit Survival-Geschichten aufgewachsen.
    Der Dschungel wurde enger, das Blätterdach dichter, sodass Jack in beständiges, gleichmäßiges Dämmerlicht gehüllt war. Er hatte sich bemüht, die Entfernung zu der vor ihm liegenden Ansiedlung möglichst genau zu überschlagen, indem er sie in zwanzig Baumlängen eingeteilt hatte. Im schummrigen Halbdunkel des Waldes würde es schwer werden, das Zeitgefühl nicht zu verlieren, das war ihm vorher schon bewusst gewesen.
    Er musste in Bewegung bleiben und dafür sorgen, dass er nicht dehydrierte. Mühsam schleppte er sich vorwärts und verschlang dabei alles, was ihm an Proteinen in die Finger kam, Insekten, Raupen und Käfer. Plötzlich blieb er stehen. Vor ihm lag etwas quer auf dem Weg, etwas mit schwarzem Fell und grotesk verdrehten Gliedmaßen, dessen verfilzter Balg geplatzt zu sein schien – ein toter Affe. Jack legte sich die Hand über die Nase und trat näher heran. Das vergammelte Fleisch wimmelte von sich windenden gelben

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