Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Flut

Dunkle Flut

Titel: Dunkle Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul S. Kemp
Vom Netzwerk:
vergessen.
    »Dann ruh dich aus. Ich hole dir Decken für die Kinder.«
    Er schickte sich an aufzustehen, aber ihre Hand schloss sich um seinen Unterarm, ihr Griff ein fiebriger Schraubstock. »Warum geschieht dies hier, Soldat?«
    Er traute sich nicht zu, ihr darauf zu antworten, aber das brauchte er auch gar nicht. Sie gab sich die Antwort darauf selbst.
    »Mutter stellt ihre Getreuen auf die Probe«, sagte sie. Sie lächelte und nickte abwesend. »Wir werden diese Prüfung bestehen, genauso, wie wir all die anderen bestanden haben.«
    Soldat tätschelte ihre Hand und erhob sich. Sein Blick fiel auf Narbes Leichnam, ihr Gesicht von sickernden Geschwüren bedeckt. Er malte sich aus, wie infiziertes Blut über den Boden kroch, sich in das Fleisch der anderen bohrte. Doch er wusste, dass das ein abstruser Gedanke war. Er fand, dass Mutter ebenfalls ein abstruses Konstrukt war, doch er war klug genug, das nicht laut zu sagen. Falls Mutter wirklich existierte und sie tatsächlich auf die Probe stellte, dann hatte Narbe bereits versagt. Andere würden ebenfalls scheitern, daran hegte er keinen Zweifel.
    Er holte Decken für die Kinder und bahnte sich einen Weg durch seine bewusstlosen und halb bewusstlosen Geschwister, während er leise Worte der Ermutigung von sich gab. Schließlich ging er zu Seherin auf der anderen Seite des Frachtraums. Er hatte ihr noch immer keine Injektion verabreicht. Jetzt, wo das Medikament den Schreien der anderen Klone ein Ende gemacht hatte, füllten die Gebete von Seherin an Mutter die Stille.
    Bevor er zu ihr gelangte, setzte Macher sich auf und erhob sich auf unsicheren Beinen. »Soldat«, sagte er, »komm her!«
    »Gleich«, erwiderte dieser.
    »Jetzt«, sagte Macher und stellte sich zwischen Seherin und Soldat. Sein Gesichtsausdruck war gereizt, unkontrolliert. Die anderen schauten her oder auch nicht, mit leeren Mienen. Macher trat dicht an Soldat heran und sprach durch gefletschte Zähne. »Du bist nicht krank«, sagte er, seine Stimme in der gedämpften Lautstärke einer Drohung.
    Hinter Soldat murmelte Zwei-Klingen zustimmend, auch wenn er die Augen weiterhin geschlossen hielt. Segen und Anmut wimmerten. Streitigkeiten zwischen den Angehörigen der Gemeinschaft missfielen ihnen immer.
    »Und du bist es auch nicht, weil ich dir das Medikament verabreicht habe«, entgegnete Soldat.
    Machers Augen wanderten von Soldat zu Narbes Leichnam. Macher und Narbe waren miteinander liiert gewesen, und Narbes Leiche war ein Schleifstein, um Machers Zorn noch mehr zu schärfen. Durch ihre empathische Verbindung konnte Soldat spüren, wie die Wut in Macher wuchs, eine dunkle Wolke, die einen Sturm versprach.
    »Warum bist du nicht krank, Soldat?«, fragte Macher. Sein Körper zuckte, ein Krampf, der ihn von Kopf bis Fuß durchschüttelte. »Ich kann sie unter meiner Haut herumkriechen fühlen, die Midis. Fühlst du sie auch?«
    Soldat antwortete nicht. Er schaute an Macher vorbei zu Seherin. »Seherin …«
    »Sie wird dir nicht helfen«, giftete Macher.
    Der Zorn, den Zwei-Klingen in Soldat entfacht hatte, explodierte zu einem plötzlichen Auflodern von Hitze, und sobald die Feuersbrunst einmal ausgebrochen war, konnte er sie nicht mehr aufhalten. Er wollte sie nicht aufhalten. Er musste den Druck abbauen, der sich in ihm aufbaute, und Macher war dafür ein genauso gutes Ventil wie jeder andere. Er trat näher an Macher heran, der gute fünfzehn Zentimeter größer war als er, bis sie einander direkt in die Augen sahen. »Ich brauche ihre Hilfe nicht, Macher.«
    Macher schnaubte. Soldat wappnete sich, öffnete sich der Macht. Der Zorn und die Furcht im Raum umwirbelten sie, vermischten sich zu einem mächtigen emotionalen Gebräu. Macher stärkte sich ebenso damit wie Soldat, beide in einer Rückkopplungsschleife gefangen, die nur ein einziges Ende nehmen konnte.
    Macher schnappte sich das Heft seines Lichtschwerts, aktivierte es und stieß damit nach Soldats Bauch, aber Soldat sprang mit einem Satz zur Seite, wirbelte herum und nutzte den Schwung seiner Drehung, um Macher einen mit der Macht verstärkten Tritt gegen die Brust zu versetzen. Die Wucht des Aufpralls trieb diesem die Luft aus der Lunge und ließ ihn fünf Meter weiter durch den Frachtraum fliegen. Er krachte gegen die Wand, prallte ab, brüllte und stürmte auf Soldat zu, sprang über die umgekippte Stasiskammer.
    Die anderen Klone – möglicherweise aufgerüttelt von der zunehmenden Flut von Zorn und Energie – stöhnten und

Weitere Kostenlose Bücher