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Dunkle Flut

Dunkle Flut

Titel: Dunkle Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul S. Kemp
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der Macht abzufedern, ihnen die ganzen gebrochenen Knochen zu ersparen, und das Schiff war von dem ruckartigen Satz nach vorn ins Trudeln geraten, um sie von Neuem wie Treibgut quer durch den Frachtraum zu schleudern und die Stasiskammern umzukippen, die auf einer Seite des Frachtraums aufgereiht standen. Die Kammern schlidderten über den Boden, und das Kreischen von Metall auf Metall stimmte in den Chor der Klone mit ein. Soldat und Narbe hoben jeweils eine Hand und nutzten die Macht, um die Kammern zum Stillstand zu bringen, zwei Meter, bevor sie die noch immer in Trance befindliche Seherin an der Schottwand zermalmen konnten.
    Gegen das Hin und Her der wilden Flugmanöver des Schiffs ankämpfend, hatte sich Soldat aufgerappelt und sich durch das Chaos des Frachtraums seinen Weg ins Cockpit gebahnt. Er fand Läufer auf dem Pilotensessel, die Arme weit ausgestreckt, den Kopf zurückgeworfen, die Augen geschlossen. Blut troff von seinem leeren Lächeln. Soldat stieß ihn zu Boden und schlug mit der Faust auf die Instrumententafel, um den Autopiloten zu aktivieren. Er drehte sich um und packte Läufer am Hemd.
    »Du sitzt auf diesem Platz, du fliegst dieses Schiff!«, sagte er, aber Läufer – verloren im Sog der Energie – schien ihn nicht zu hören.
    Während der Autopilot das Schiff wieder in die richtige Flugposition brachte, folgte Soldat dem Lärm der Klone und der Kinder zurück in den Frachtraum. Bevor er dort eintraf, wechselte die emotionale Flutwelle ihren Tenor. Durch seine Verbindung zu den anderen Klonen spürte er, wie ihre Furcht wuchs. Dann fühlte er ihre Pein, und das Lachen der Kinder machte ihrem Heulen Platz, und dann einem Kreischen der Agonie. Die frohlockenden Ausrufe der Klone wichen Schmerzensschreien – mit einer Ausnahme: Seherin, deren Stimme er noch immer über die Schreie der anderen hinweg vernehmen konnte, lobpreiste Mutter.
    Soldat unterbrach die empathische Verbindung, so gut er es vermochte, und sprintete durch den Korridor zum Frachtraum. Er erreichte ihn und trat in ein Gewitter von Schreien und Schmerz.
    Jägerin lag in der Embryonalstellung auf dem Boden, die Zähne beim Schreien zu einer Grimasse gefletscht. In ihren Armen wiegte sie Segen und Anmut. Ihre Augen waren offen, leer, und ihre Atmung zwischen den Schreien wurde so schnell, dass Soldat glaubte, sie würde hyperventilieren. Auch die Augen der Mädchen standen offen. Anmut starrte Soldat an, ihre tränenden Augen voller Schmerz. Glücklicherweise schrien die Kinder nicht. Stattdessen lagen sie vollkommen reglos da, die Münder teilweise geöffnet, die Augen glasig. Auf Soldat wirkten sie wie Leichen, denen ihr Tod noch nicht ganz klar war.
    Die Möglichkeit, dass die Kinder sterben könnten, ließ seine Beine weich werden. »Anmut!«, rief er. »Segen!«
    Keine von ihnen regte sich. Keine von ihnen schien ihn zu hören. Was war geschehen? Er war doch bloß für wenige Minuten fort gewesen.
    Macher saß im Schneidersitz auf dem Boden und wiegte sich vor und zurück. Sein Mund stand offen, und in unregelmäßigen Abständen stieß er ein gutturales Heulen aus. Seine Fingernägel hatten blutige Furchen in den Unterarm gegraben, und er machte sich auch dann noch weiter daran zu schaffen, als sein Blut auf dem Boden eine Pfütze bildete.
    Angewidert ging Soldat zu ihm und packte seine Hände. »Hör auf damit!«, sagte er zu ihm, aber Macher schien ihn nicht zu hören, und seine Hände versuchten weiter, seine Wunden noch mehr aufzureißen.
    Die schrillen Schreie von Narbe ließen Soldat herumwirbeln. Sie lag in der Nähe von einer der umgekippten Stasiskammern auf dem Boden und wand sich. Die entblößten Teile ihrer fleckigen Haut pulsierten sichtlich, als würden Tausende von Insekten unter ihrer Epidermis herumkrabbeln und versuchen, durch ihre Poren hinaus ins Freie zu gelangen.
    »Helft mir!«, schrie sie mit einem Sprühregen von Speichel, ihr Gesicht von dem Gekrabbel darunter verzerrt. »Helft mir!«
    Aber niemand schickte sich an, ihr zu helfen. Seherin war zu verloren in ihrer Trance, in ihrer Lobpreisung von Mutter, und die anderen waren zu sehr in ihrem Schmerz versunken. Soldat fing sich wieder, lief zu Narbe, kauerte sich neben ihr hin und zog sie an sich. Sie war dünn, und ihr langes, dunkles Haar klebte strähnig auf dem verhärmten Gesicht. Er versuchte, sich seinen Abscheu nicht anmerken zu lassen, als sich ihre Haut unter seiner Berührung regte und wölbte.
    »Hilf mir, Soldat!«
    »Das ist die

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