Dunkle Flut
ab, von Mutter. Das musst du nicht.«
Nicht zum ersten Mal fragte Soldat sich, ob Seherins empathisches Gespür dem der übrigen Klone überlegen war.
»Ich fühle mich nicht allein«, log Soldat. »Ich bin einer von euch. Ich passe auf euch auf, ich beschütze euch alle.«
»Das tust du zum Wohl der Kinder. Nicht für den Rest von uns.«
Einmal mehr hatte Seherin die Wahrheit gesagt. Er hatte selbst keine Kinder, aber Anmut, Gabe und Segen waren ihm so wichtig, als wären sie seine eigenen. Falls die Klone überhaupt einen Zweck hatten, dann wurde er durch die Kinder verkörpert. Er wollte, dass sie ein anderes Leben hatten als das, das er und die anderen zu erdulden gezwungen gewesen waren.
Nicht bereit, mit Seherin weiter über die Angelegenheit zu diskutieren, wechselte er das Thema. »Die Koordinaten von Fhost sind im Navicomputer, und wir sind frei von Gravitationsquellen. Ich fahre den Hyperantrieb hoch.«
Seherin sah ihn an, doch er ignorierte sie, als er den Sprung vorbereitete. Er streckte die Hand aus, um das Licht im Cockpit zu dimmen. Bei seiner Flugausbildung in den Simulatoren der Einrichtung hatte man ihm beigebracht, dass es einen in den Wahnsinn treiben konnte, wenn man zu häufig in den Strudel des Hyperraums blickte.
Seherin ergriff seine Hand und ließ sie nicht wieder los. »Ich will es sehen«, sagte sie.
Ihre Berührung erregte ihn, und er malte sich aus, dass sie das wusste. »In Ordnung.«
Als der Sprungindikator grün anzeigte, aktivierte er den Hyperantrieb. Punkte von Sternenlicht zogen sich zu Strichen in die Länge, dann verschwanden die Linien im blauen Wirbel des Hyperraums.
Seherin stockte der Atem, ihre Hand fest um die seine geschlossen. »Es ist wunderschön.«
Die ganzen Strudel und Wirbel bereiteten Soldat Übelkeit, aber er sagte nichts. Als er seine Hand zurückzog, schien Seherin es nicht zu bemerken. Ihre Begeisterung erfüllte das Cockpit.
»Wir werden Fhost in Kürze erreichen«, sagte er.
Sie nickte und starrte mit großen Augen auf das Blau hinaus.
»Ich werde nach den anderen sehen«, sagte er und stand auf. Durch ihre Verbindung zueinander konnte er den emotionalen Zustand der anderen Klone fühlen. Das Medikament hatte sie beruhigt, aber das würde nur für kurze Zeit so bleiben. Der Wahnsinn warf einen Schatten über ihren Geist, die Krankheit einen Schatten über ihre versagenden Leiber.
Er hoffte, dass Seherin recht hatte. Er hoffte, dass Mutter sie heilen würde. Besonders die Kinder.
5. Kapitel
Seherin saß im Cockpit und schaute während ihrer gesamten Zeit im Hyperraum hinaus. Ihr Schweigen nervte Soldat. Sie beobachtete mit starrem Blick die vorbeiziehenden Strudel, als wäre in ihnen irgendetwas Aufschlussreiches verborgen. Er beschäftigte sich damit, Diagnosen der Schiffssysteme durchzuführen, derweil er darauf wartete, dass der Computer ihm sagte, dass sie sich Fhost näherten.
Nach einer Weile war es so weit, und er sagte: »Wir verlassen gleich den Hyperraum.«
Endlich wandte Seherin ihre Augen von dem Ausblick draußen ab und konzentrierte ihren Blick auf ihn. Er konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass sie geradewegs durch ihn hindurchsah. Der Eifer einer wahren Gläubigen erfüllte ihre dunklen Augen. Oder möglicherweise war es auch Wahnsinn – Soldat konnte beides nicht voneinander unterscheiden.
»Gut gemacht, Soldat«, sagte sie.
Sie verließen den Hyperraum, Schwarz überlagerte das Blau, und das Licht eines nahe gelegenen Sterns tauchte das Innere des Cockpits in Orange. Die Ionentriebwerke sprangen an, und sie sausten beschleunigend durch das System.
Soldat hatte keine Ahnung, was sie auf dem Planeten erwartete. »Die Daten über Fhost zeigen, dass der Planet nur schwach bevölkert ist, mit bloß einer einzigen großen Stadt – Farpoint. Wir gehen auf der anderen Seite des Planeten runter und fliegen eine Schleife. Es gibt nicht allzu viel Infrastruktur. Es sollte uns möglich sein, einer Entdeckung zu entgehen. Wir landen außerhalb der Stadt, und einige von uns können sich dort umschauen.«
Seherin nickte, verloren in Gedanken oder vielleicht auch in einer weiteren Vision, als sie sich dem Planeten näherten.
Fhost schwebte im All vor ihnen, eine größtenteils braune, von unregelmäßigen grünen und blauen Flecken gesprenkelte Kugel. Dunstige Wolken hingen in langen, dünnen Streifen über der wüstenhaften Welt. Soldat steuerte den Manteljäger auf die Rückseite des Planeten. Er behielt die Scanner im Auge,
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