Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Flut

Dunkle Flut

Titel: Dunkle Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul S. Kemp
Vom Netzwerk:
fragte sich, ob man ihnen das Landen untersagen würde, fragte sich, was er tun würde, wenn es dazu kam, aber entweder traten sie unbemerkt in die Atmosphäre ein, oder die Planetenbehörden sahen sie und scherten sich nicht darum.
    Er brachte den Manteljäger runter und flog tief und schnell über die Oberfläche von Fhost. Er konnte nur wenige Einzelheiten erkennen, undeutliche Schemen von Grün und Braun und Blau. Dennoch fand er den Anblick wunderschön, ein deutlicher Kontrast zu der gefrorenen Hölle, die so lange ihr Zuhause gewesen war. Er fragte sich, wie es wohl sein würde, sich auf einer solchen Welt niederzulassen und einfach … zu leben.
    Er stellte sich Anmut und Segen als Erwachsene vor, wie sie in normalen Behausungen lebten, ein normales Leben führten. Der Gedanke entlockte ihm ein Lächeln. Er räusperte sich, riskierte einen ketzerischen Gedanken. »Wir könnten uns … einfach hier niederlassen«, sagte er. Er war sich nicht sicher, ob Seherin ihn hörte.
    »Sie ruft uns, Soldat«, sagte Seherin, und ihre Stimme klang wie ein Singsang. »Sie will, dass wir nach Hause kommen. Wir müssen uns beeilen.«
    Ihre Worte vertrieben jeden Gedanken an ein friedliches Leben.
    Nach einer Weile zeigte das Frontsichtdisplay Farpoint etwas über fünfzig Kilometer weiter voraus. Er suchte nach einem geeigneten Landeplatz. In der Nähe befanden sich keinerlei Anzeichen von Wohnstätten, also bremste er ab und setzte den Manteljäger auf einer großen Lichtung im Herzen eines Waldes auf.
    »Ich beschaffe so viele Medikamente, wie ich kriegen kann, und komme zurück, so schnell es mir möglich ist«, sagte er. »Allerdings brauche ich Hilfe.«
    Seherin sagte nichts. Obgleich ihre Augen offen standen, wirkte sie noch immer wie in einer Trance verloren.
    »Seherin? Seherin? «
    Er ließ sie im Cockpit allein und machte sich auf den Weg zum Frachtraum. Die anderen Klone hatten sich kaum bewegt, seit er zuletzt nach ihnen gesehen hatte. Das Medikament umhüllte ihren Geist mit einer künstlichen Ruhe und linderte den Schmerz in ihren Leibern, aber durch ihre mentale Verbindung konnte er in den Erwachsenen den zunehmenden Irrsinn fühlen, der unter der Oberfläche brodelte. Es fiel ihm nicht schwer, sich vorzustellen, dass an Bord des Schiffs ohne das Medikament Chaos herrschen würde. Die Arznei würde noch ein oder zwei Stunden wirken, höchstens. Dann würde der Wahnsinn sich wieder Bahn brechen – oder die Krankheit. So oder so, dann würden sie tot sein. Er musste sich beeilen.
    Er ging abwechselnd zu jedem der Klone, zuerst zu den Kindern, um ihren körperlichen Zustand einzuschätzen, während er sein Bewusstsein genügend öffnete, um sich einen besseren Eindruck von ihrer emotionalen Verfassung zu verschaffen. Alle waren von Fieber befallen, ihre Atmung ging zu schnell, ihr Geist kochte vor Zorn, Grauen und Kraft. Segen, Anmut und Gabe waren katatonisch. Er verweilte über ihnen, und eine Traurigkeit überkam ihn, die ihm schwer zusetzte. Er musste sie retten, sie vor allem.
    Läufer schien am wenigsten betroffen zu sein, also holte Soldat eine Adrenalinspritze aus den Medizinvorräten und injizierte sie ihm. Seine Augen öffneten sich flatternd, die Pupillen erweitert, und richteten sich auf Soldat. Trockene, rissige Lippen formten ein Wort.
    »Soldat«, sagte er mit undeutlicher Aussprache.
    »Kannst du aufstehen? Ich brauche Hilfe, um Medikamente zu beschaffen.«
    Läufer schien ihn nicht zu hören. Er schloss die Augen und zuckte zusammen, als habe er Schmerzen. Sein Mund – im Gestrüpp seines dichten Vollbarts beinahe vollkommen versteckt – verzog sich vor Pein.
    »Das schaffe ich«, sagte Läufer. »Die Kraft, Soldat …«
    »Ich weiß.«
    Seit er Macher getötet hatte, hatte Soldat die Kraft in seinem Innern zurückgehalten, wie Dampf in einer Flasche. Aber er hatte dennoch das Gefühl, als könne die Kappe jederzeit abspringen. Sein Körper – ihrer aller Körper – hatte Mühe, sie zu bewahren.
    Er versuchte, Läufer dabei zu helfen, sich aufzusetzen, aber Läufer stieß seine Hände fort und setzte sich allein hin. »Ich brauche dich nicht«, knurrte er.
    Soldat widerstand dem wütenden Impuls, Läufer ins Gesicht zu schlagen. »Wenn ich nicht wäre, wärst du bereits tot. Jetzt hör zu. Du und ich, wir werden uns in eine medizinische Einrichtung in der Nähe begeben. Dort werden wir die Medikamente holen, die wir brauchen, um die Gemeinschaft am Leben zu erhalten.«
    Läufers glasige Augen

Weitere Kostenlose Bücher