Dunkle Gebete

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Autoren: Sharon Bolton

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eine Fliege wegwedelte. Evadne legte auf.
    »Mrs. Richardson, können Sie uns irgendetwas sagen, war bei ihrem letzten Besuch irgendetwas ungewö–«
    »Sie ist nach oben gegangen«, sagte Evadne.
    »Nach oben?«, wiederholte Mizon.
    Die alte Dame nickte. »Ich habe sie gehört«, erklärte sie. »Die Musik von Coronation Street war gerade zu Ende, und ich habe gehört, wie sie nach oben gegangen ist.«
    »Und das war ungewöhnlich?«, hakte ich nach.
    »Wir benutzen die Zimmer oben gar nicht«, sagte sie. »Ich schaffe die Treppe nicht mehr. Mein Schlafzimmer ist im Erdgeschoss, in dem Raum, den wir früher das Hinterstübchen genannt haben. Vor ein paar Jahren haben wir aus der Speisekammer ein Badezimmer gemacht. Ich war schon seit Jahren nicht mehr oben.«
    »Aber Ihre Tochter ist raufgegangen?«, fragte ich.
    »Ist sie wieder heruntergekommen?«, wollte Mizon wissen.
    Die alte Frau sah verstört aus. Wir machten ihr Angst. »Ja«, sagte sie. »Nach ungefähr einer Viertelstunde. Das weiß ich noch, weil gerade Werbung lief. Ich habe gehört, wie sie heruntergekommen und zur Haustür hinausgegangen ist.«
    »Hat sie noch etwas zu Ihnen gesagt?«, fragte ich. »Auf Wiedersehen gerufen oder so etwas?«
    Die alte Dame schüttelte den Kopf. »Nein«, antwortete sie. »Sie hatte sich doch schon verabschiedet.«
    Ich brauchte Mizon nicht anzusehen.
    »Mrs. Richardson, haben Sie im Laufe der letzten Tage Fremde ins Haus gelassen?«, erkundigte ich mich. »Irgendjemand, den Sie vorher noch nie gesehen hatten?«
    »Nein, Liebes. Das würde ich nie tun. Würde mir nicht im Traum einfallen.«
    Ich begann wieder zu atmen.
    »Nur die Krankenpflegerin«, fügte die alte Dame hinzu.
    Ich wartete einen Moment. »Welche Pflegerin war das?«, fragte ich.
    »Die neue«, erklärte Evadne. »Die, die am Montag gekommen ist. Am späteren Nachmittag. Sie hatte einen Ausweis und eine Schwesterntracht und all das. Hätte ich sie nicht hereinlassen sollen?«
    »Das war bestimmt ganz in Ordnung«, versicherte ich. »Ist sie gekommen, um Ihnen Ihre Tabletten zu geben?«
    Wieder schüttelte Evadne den Kopf. »Nein, Liebes, die hatte ich schon genommen«, erwiderte sie. »Sie ist gekommen, um mich zu untersuchen. Besonders viel hat sie allerdings nicht untersucht. Hat sich nur ein paar Minuten mit mir unterhalten, hat gefragt, wann Karen kommt. Dann ist sie gegangen.«
    »Haben Sie sie zur Tür gebracht?«
    »Sie hat gesagt, ich soll ruhig sitzen bleiben, sie findet schon hinaus. Aber ich habe die Tür gehört.«
    Ich sah Mizon an. Sie war blass und hatte die Hände vor dem Körper ineinandergekrallt. Ich stand auf.
    »Mrs. Richardson«, fragte ich, »dürften wir uns wohl einmal im Haus umsehen?«

66
    Im Erdgeschoss war nichts Außergewöhnliches zu entdecken, doch damit hatten wir auch nicht gerechnet. Ich war nicht einmal überrascht, einen fast leeren Mülleimer in der Küche vorzufinden und einen Kühlschrank, in dem alles frisch zu sein schien. Es gab nichts, was den üblen Geruch erklärt hätte. Zwei Minuten, nachdem Mizon und ich unsere Suche begonnen hatten, standen wir am Fuß der Treppe.
    »Wir könnten es melden«, meinte sie.
    »Was ist, wenn wir uns irren?«, gab ich zu bedenken.
    »Wir haben keine Handschuhe dabei.«
    »Wir sehen doch nur mal nach.«
    Noch immer rührten wir uns nicht.
    »Wir müssen da hoch«, entschied ich und stieg die erste Stufe hinauf, ehe ich es mir anders überlegen konnte. Das schien das Ganze in Schwung zu bringen, und ich war im Nu oben angekommen. Mizon, das muss man ihr lassen, war dicht hinter mir. Im ersten Stock gab es fünf geschlossene Türen.
    »Fangen wir an diesem Ende an«, schlug Mizon vor und zeigte auf die Tür, die uns am nächsten war.
    »Ich weiß nicht, ob das nötig ist«, erwiderte ich. Mizon folgte meinem Blick und stöhnte leise auf, als sie die Scharen von Fliegen sah, die um die am weitesten entfernte Tür herumsummten.
    »Ich geb’s durch.« Sie holte ihr Funkgerät aus der Handtasche.
    »Augenblick noch.«
    Der Flur war nicht breit genug für uns beide, also ging ich voran auf die Vorderseite des Hauses zu. Als wir die Tür erreichten, zog ich mir den Ärmel über die Hand und drückte sie auf.
    Hinter mir gab Mizon ein sonderbares Schluckgeräusch von sich und trat zurück in den Flur. Ich konnte hören, wie sie die Zentrale anfunkte und sofortige Polizeipräsenz anforderte. Dann trat ich einen Schritt weiter ins Zimmer. Reichlich nahe genug. Die Fliegen ahnten einen