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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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die ich ihm vorhin verabreicht hatte. Oder als hätte irgendjemand erst vor Kurzem darauf eingedroschen. Er sah aus wie ein Uhrenpendel, das die Zeit misst. Tick tack. Ich konnte auch sehen, dass der leblose Kopf, den ich mir vorhin mit Mark Joesburys Gesicht vorgestellt hatte, nicht mehr darauf befestigt war. Etwas anderes hatte seinen Platz eingenommen.
    Es war nicht nötig, das Licht anzumachen. Fünf Kerzen, die im Kreis um den Sandsack herumstanden, machten zusätzliche Beleuchtung überflüssig. Sie flackerten und tanzten im Luftzug, den die geöffnete Tür hereinließ. Ihr Licht war sanft, golden und warm wie der frühe Morgen. Es ließ Karen Curtis’ abgetrennten Kopf beinahe lebendig aussehen.

74
    »Sie übernachten am besten bei uns.« Helen schaute auf mich herab. »Dana hat das Bett im Gästezimmer immer fertig bezogen, für den Fall, dass wir mal Krach haben.« Ich blickte auf und versuchte zu lächeln. Helens langes blondes Haar war zu einem Zopf geflochten. Damit sah sie jünger aus.
    »Ich bleibe bei ihr«, sagte Joesbury von der Tür her. Er hatte Helen angesprochen, dann jedoch sah er mich an. »Wenn Sie lieber hierbleiben möchten, Lacey.«
    Ich konnte spüren, wie Helens Augenbrauen auf ihr Haar zuklommen. Ich nickte. »Danke«, sagte ich, an niemand Bestimmten gewandt.
    »Wie kommen sie da draußen zurecht?«, wollte Helen wissen.
    »Fürs Erste sind sie fertig«, antwortete Joesbury. »Sie sperren den Schuppen und den Garten ab. Nur für den Fall, dass es bei Licht noch irgendetwas zu finden gibt. Hoffen wir, dass es nicht regnet.«
    »Haben sie das Ding mitgenommen?«, fragte ich.
    »Jep«, bestätigte Joesbury.
    »Sie waren sehr tapfer«, meinte Helen, die Hand auf meiner Schulter.
    Wir befanden uns in meinem Wohnzimmer. Die Uhr am Küchenherd verriet mir, dass es fast vier Uhr morgens war. Ich saß auf dem Sofa. Helen hockte auf der einen Armlehne. Dana und der Rest des Teams waren mit dem Tatort beschäftigt, zu dem mein Garten und mein Schuppen geworden waren. Ich hatte mich nicht von der Stelle gerührt, seit Helen mich aufs Sofa gesetzt und mir die Daunendecke von meinem Bett um die Schultern gelegt hatte. Sie hatte mir Tee gemacht, aber meine Hände hatten zu sehr gezittert, um ihn zu trinken. Helen hatte gesagt, ich stünde wahrscheinlich unter Schock und vielleicht sollte man mich in die Notaufnahme bringen. Ich hatte mich geweigert und sie angefleht, Dana nichts davon zu sagen. Bisher hatte sie es nicht getan.
    »Haben die Kameras irgendetwas aufgezeichnet?«, fragte ich Joesbury.
    »Nicht das Geringste. Wir hatten sie alle aufs Haus ausgerichtet, nicht auf den verfluchten Gartenschuppen.«
    »Wie ist die Frau überhaupt da reingekommen?«, wollte Helen wissen.
    »Der Schlüssel war ja nicht schwer zu finden«, bemerkte Joesbury. »Tully hat mir gerade ’ne ziemliche Packung verpasst, weil wir den Schuppen nicht so gut gesichert haben wie die Wohnung.«
    »Lässt sie den Rest der Nacht eine Streife draußen?«, fragte Helen.
    Joesbury nickte.
    »Gut. Nicht dass ich dir nicht absolut vertraue.« Sie drückte mir die Schulter. »Lacey, Sie müssen sich sehr in Acht nehmen. Nur weil sie Ihnen bisher nichts getan hat, heißt das nicht, dass sie es nicht noch einmal versuchen wird. Vielleicht hebt sie sich Sie ja bis zum Schluss auf.«
    »Genau das Richtige, um das Mädchen aufzuheitern«, bemerkte Joesbury, zog die Jacke aus und hängte sie über eine Stuhllehne.
    »Also, ich weiß ja nicht, wie’s dir geht, aber ich hab nichts gegen Frauen, die Schiss haben und dafür am Leben bleiben«, gab Helen zurück.
    Zehn Minuten später sagten Helen und Dana Gute Nacht. Ich hatte mich noch immer nicht gerührt. Die Uhr an meinem Herd macht kein Geräusch, und doch schwöre ich, dass ich sie in jener Nacht ticken hörte. Stetig, erbarmungslos. Ich hörte, wie Joesbury die Tür des Wintergartens abschloss und die Riegel vorschob. Die Alarmanlage piepte, als er sie wieder einschaltete. Dann wurde die Tür zwischen Wintergarten und Schlafzimmer abgeschlossen und verriegelt. Er kam ins Wohnzimmer und ging zur Haustür, ohne mich anzusehen. Auch die wurde dem Joesbury-Verfahren unterzogen. Wir waren völlig von der Welt abgeschottet.
    »Kann ich irgendetwas für Sie tun?«, fragte er von der Tür aus.
    Ich schüttelte den Kopf und fühlte eher, wie er näher kam, als dass ich es hörte.
    »Kommen Sie.« Er stand vor mir und streckte die Hand aus. Ich nahm sie und stand auf, wobei ich die

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