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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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Stuhl heran und quetschte sich zwischen mich und Tulloch. Dann beugte er sich vor und legte eine Karte vom gesamten Zoo auf den Tisch. »Da«, sagte er. »Neben den Kamelen. Da ist ein Eisenzaun, zwischen dem Zoo und dem Park. Ist keine anderthalb Meter hoch. Ich glaube, ich habe sogar genau die Stelle gefunden, wo sie rübergeklettert ist.«
    »Und wie?«, fragte Tulloch.
    »Ich habe vier Vertiefungen im Gras gefunden«, erklärte Joesbury, »die vier Eckpunkte eines Rechtecks von etwa sechzig mal vierzig Zentimetern. Jemand macht gerade Aufnahmen davon. Genau hier.« Er zeigte auf die Karte, und wir beugten uns weiter vor.
    Die äußere Begrenzung des Zoos bildete ein rechtwinkliges Dreieck mit zwei ungefähr gleichlangen Seiten, die sich an der Prince Albert Road und der Hauptdurchfahrtsstraße durch den Regent’s Park entlangzogen. Die Hypotenuse verlief diagonal quer durch den Park, von Süden nach Nordwesten. Ungefähr auf halber Strecke zwischen dem Kamelgehege, dem der Zwergflusspferde und dem der Komodowarane, war Joesburys Zeigefingerspitze.
    »Auf der anderen Seite des Zauns konnte ich ganz ähnliche Abdrücke sehen«, berichtete er. »Diese Stelle erfassen die Kameras nicht. Ich glaube, sie hatte so eine leichte Trittleiter aus Aluminium dabei, und mit der ist sie vom Park aus auf den Zaun gestiegen. Dann ist sie runtergesprungen und hat durch den Zaun gegriffen, um die Leiter hochzuheben und sie auf die andere Seite zu ziehen. Und dann hat sie sie auf der Zooseite stehen lassen, um schnell türmen zu können.«
    »Kommt man hier so leicht rein?«, wollte Tulloch wissen.
    »Na ja, früher oder später wird jeder, der hier nachts rumläuft, von einer der Kameras erwischt, löst aus Versehen Alarm aus oder läuft jemandem vom Sicherheitspersonal in die Arme«, meinte Stenning. »Aber wenn der DI recht hat, dann hatte sie es nicht weit bis zu den Gorillas. Ich wette, sie war in zehn Minuten drinnen und wieder draußen.«
    »Aber warum?«, wollte Tulloch wissen. »Was spielt sie hier für ein Spiel?«
    »Genau das ist es, was sie tut«, sagte ich. »Sie spielt mit uns.«
    Joesbury lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und ließ mich in den vollen Genuss seines fiesen Lächelns kommen. »Und so langsam macht es ihr richtig Spaß«, bemerkte er.
    Am Ende des Tages wussten wir, dass der Wachskopf großzügig mit menschlichem Blut beschmiert worden war; deshalb hatten die Gorillas auch so darauf reagiert. Ob es Karens Blut war, würden wir noch herausfinden, aber niemand zweifelte daran. Tulloch hatte zwei Constables in Zivil damit beauftragt herauszufinden, wo der Kopf herkam. Sie hatten in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett angefangen, das keine fehlenden Schaustücke zu verzeichnen hatte, weder aus der Ausstellung noch aus dem Lager. Das Personal hatte bereitwillig eine Liste möglicher Lieferanten herausgerückt. Suchen auf eBay und anderen Internetseiten erwiesen sich als erstaunlich fruchtbar. Nachbildungen abgetrennter Menschenköpfe waren gar nicht so schwer zu finden.
    »Sind denn jetzt alle total übergeschnappt, verdammte Scheiße?«, war Andersons Reaktion darauf, als er aus dem Zoo zurückkam. Bei seinem Auftauchen im Einsatzraum erlebte er einen Moment nie dagewesener Beliebtheit. Auf zahllose Fragen hin verkündete er, den Gorillas ginge es gut, die Aufregung dieses Morgens hätte ihnen nicht geschadet, und die Pfleger würden das trächtige Weibchen genau beobachten, sich aber keine übermäßigen Sorgen machen. Apropos: Interessiere sich eigentlich irgendjemand hier im Raum noch für die laufenden Mordermittlungen?
    Als er damit fertig war, den Beleidigten zu spielen, berichtete er uns, dass der Zoo wieder geöffnet sei; nur das Königreich der Gorillas sei immer noch gesperrt. Keiner der morgendlichen Besucher, mit denen Mizon gesprochen hatte, hatte irgendetwas Ungewöhnliches bemerkt, doch das hatten wir auch nicht erwartet.
    Die Gestalt in der schwarzen Skateboarder-Kluft war bei Mondschein aufgetaucht und wieder verschwunden. Ich saß da und sah mir wieder und wieder die paar Sekunden Film an, in denen sie den breiten Gehweg überquerte.
    »Sie ist einsdreiundsiebzig, vielleicht auch einsfünfundsiebzig«, meinte Stenning, der von hinten an mich herangetreten war, ohne dass ich ihn gehört hatte. »Und die Klamotten sehen ganz schön weit aus, finde ich. Ich würde sagen, sie ist ziemlich dünn.«
    »Karen Curtis’ Mutter hat die Krankenpflegerin als kleines Ding bezeichnet«, wandte ich

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