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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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anfühlte wie etwas, das mich ersticken könnte.
    Dann ließ ich mir ein Bad ein, lag lange im Wasser und dachte an Joesbury, ein oder zwei Stockwerke über mir, und an das, was nie sein konnte. Und ich dachte an zwei junge Mädchen, die von Anfang an nicht viel gehabt hatten außer einander, und die selbst das verloren hatten, als ein Abend in der Stadt so furchtbar danebengegangen war. Ich lag da und dachte, dass ich jetzt vielleicht endlich genug Mut aufbringen könnte, meinem Leben ein Ende zu setzen. Und dass ich wahrscheinlich genau das tun würde, wenn dies alles vorbei war; in einem warmen, duftenden Bad wie diesem hier.
    Als das Wasser allmählich abkühlte, stand ich auf, zog Jeans, einen Pullover, Turnschuhe und meine Jacke an und verließ das Hotel. Draußen machte ich die Jacke zu und ging los. Nach wenigen Metern wurde der glatte Ziegelweg zu grobem Kies und Steinen. Der größte Teil des verbliebenen Lichts schwand dahin, und hartes Schilfgras, höher als ich selbst, stand zu beiden Seiten und verwandelte den Pfad in einen Tunnel.
    Ich ging durch ein natürliches Feuchtgebiet, das als Teil der landschaftlichen Erschließung dieses Areals erhalten worden war. Schilder entlang des Weges warnten vor tiefem Wasser, Rettungsringe in regelmäßigen Abständen wiesen darauf hin, dass die Schilder es wahrscheinlich ernst meinten, und leise platschende Geräusche verrieten mir, dass ich hier draußen nicht allein war.
    Zu meiner Rechten konnte ich durch Lücken im Riedgras eine Häuserzeile sehen, aus Backstein gebaut. In den meisten Fenstern brannte Licht. Ich sah eine Frau ungefähr in meinem Alter mit einem Kleinkind auf dem Arm die Vorhänge eines Fensters im ersten Stock zuziehen. Sie hielt einen Augenblick inne, um die einsame Gestalt zu betrachten, die da durchs Moor marschierte, ehe sie sich vor den Blicken verbarg.
    Ein ganz normales Leben. Noch nie war mir das so fern erschienen.
    Ich ging weiter, lauschte den Geräuschen der Stadt auf der einen und denen der Flussmündung auf der anderen Seite, bis ich einen Holzsteg erreichte, der im Zickzack über das Wasser führte. Als ich darüberging, gluckste das Wasser darunter leise, und ein Schwan flog vorbei, nahe genug, dass ich die Luft unter seinen Schwingen spürte. Er landete ganz in der Nähe und verschwand zwischen den Rohrkolben.
    Ich hatte das Ende der Holzbrücke erreicht, als ungefähr hundert Meter hinter mir jemand anderes den Steg betrat.
    Ich lehnte mich mit beiden Ellenbogen auf das Geländer. Rechts von mir befand sich der kleine Jachthafen; die Fallen der Takelagen klimperten leise im Wind wie winzige Glöckchen. Die Hafengebäude der alten Tiger Bay lagen zu meiner Linken, und ich konnte gerade noch hohe Kräne und ein paar Bootsmasten vor der Skyline ausmachen.
    Die Schritte auf dem Steg kamen näher. Sie waren schwer, Männerschritte. Ich sah zu, wie ein Wassertaxi über die Bucht glitt.
    »Ich hab doch gesagt, ich hab keinen Hunger«, sagte ich einen Moment später zu dem Schilf vor mir.
    »Was Sie gesagt haben, war, dass Sie sich aufs Ohr hauen wollten«, kam es als Antwort. »Und wie kommen Sie darauf, dass die hier für Sie sind?«
    »Ein Mann, der mir mit Pommes in den Händen nachsteigt, sollte lieber darauf gefasst sein, mir was abzugeben«, verkündete ich und drehte mich um.
    Joesbury hatte zwei Papierpäckchen unter dem Arm und eine Plastiktüte in der einen Hand. Der Geruch der heißen Pommes frites hatte ihn verraten. Wir gingen den Steg wieder hinunter und machten an einem Gebilde halt, das ein bisschen wie eine Welle und ein bisschen wie ein Segel aussah. Es stand auf einem kreisrunden Sockel, und wir setzten uns hin. Joesbury reichte mir eins der Papierpäckchen, auf dem das Logo einer berühmten Fish-&-Chips-Kette aufgedruckt war.
    »Im Augenblick kann ich Sie erstaunlich gut leiden«, bemerkte ich, während ich das Papier abwickelte. Mir war ganz ehrlich nicht klar gewesen, wie hungrig ich geworden war.
    »Na, das hört sich doch nach Fortschritt an« erwiderte er, und an seinem Tonfall merkte ich, dass er lächelte. Ich hörte das Geräusch eines abgezogenen Dosenverschlusses, und dann reichte mir Joesbury eine kalte Bierdose. Ich trank und stellte sie neben mich auf das Steinpodest. Im hohen Riedgras vor uns raschelte etwas. Ein paar Minuten lang aßen wir schweigend.
    »Haben Sie noch mal etwas von DI Tulloch gehört?«, fragte ich, als der ärgste Hunger allmählich nachließ.
    »Die Bildspezialisten haben sich bei

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