Dunkle Gebete
den Kopf. »Aber nichts Gutes. Sie hat sich immer Romane aus der Bücherei geholt, über Verbrechen, die wirklich passiert sind. Serienkiller und Massenmörder und so was. Die war nicht normal.«
Ich merkte, dass DI Joesbury ein bisschen genauer hinhörte.
»Und dieses Zeug, mit dem sie sich die Haare gefärbt hat.« Jetzt war Myfanwy richtig in Fahrt. »Pechschwarz. Was hat sie Alice den Badezimmerteppich versaut.«
»Klingt ja wie eine richtige Kriminelle«, bemerkte ich halblaut, lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und sah mich in der nicht besonders sauberen Küche um.
»Hat sich einen Freund zugelegt, kurz nachdem sie drüben eingezogen sind«, berichtete Myfanwy. »Ein richtiger Taugenichts. Hat immer Autos gestohlen und ist damit am Fluss rumgekurvt.«
»Wir haben Mühe, Fotos von Victoria aufzutreiben«, sagte Joesbury. »Dürfte ich Sie bitten, sie mir zu beschreiben? Wir versuchen, ein Phantombild erstellen zu lassen, und Sie wären uns eine große Hilfe, wo Sie doch zwei Jahre neben ihr gewohnt haben.«
»Sie war nicht hübsch, nicht so wie ihre Schwester«, meinte Myfanwy. »Hat sich immer so grässliches weißes Make-up ins Gesicht geschmiert. Wie ein Gespenst. Ich habe keine Ahnung, wie sie in der Schule damit durchgekommen ist.«
»Ehrlich gesagt, das mit ihren Haaren und dem Make-up wissen wir schon«, sagte Joesbury. »Mir geht es mehr um Gesichtsstrukturen. Wissen Sie, ich glaube, manchmal hilft es, einen Bezug zu haben. Schauen Sie sich doch mal meine Kollegin an und sagen Sie mir, inwiefern Victoria anders war.«
Oh, super, DI Joesbury. Sehr raffiniert.
»Still sitzen, Flint«, befahl Joesbury, obwohl ich mich gar nicht rührte. »Wie sind die Augen im Vergleich?«, fragte er Myfanwy.
»Victoria hatte Riesenaugen«, antwortete sie nach kurzem Zögern. »Die von der jungen Dame hier sind viel kleiner. Und Victoria musste auch keine Brille tragen.«
» DC Flint auch nicht.« Etwas wie Ungeduld schlich sich in Joesburys Stimme. »Her damit.«
Ohne den Blick von Myfanwy abzuwenden, nahm ich die Brille ab und legte sie vor mir auf den Tisch.
»Was ist mit meinem Mund?«, erkundigte ich mich.
Sie schüttelte den Kopf. »Vollere Lippen. Irgendwie mehr ein Schmollmund. Und sie war auch nicht so schlank wie Sie.«
»Nase?«, fragte ich.
»Nichts für ungut, Schätzchen, aber Ihre ist dermaßen geschwollen, dass ich gar nicht sagen kann, wie sie normalerweise aussieht. Und ich habe Victoria nie mit zwei blauen Augen und einer aufgeplatzten Lippe gesehen. Ich will Ihnen nichts vorlügen, sie hat sich schon mal geprügelt, aber sie konnte sich wehren. Die anderen Mädchen haben immer den Kürzeren gezogen.«
»Ich glaube, das ist immer noch so«, bemerkte Joesbury leise.
79
»Tut mir leid, dass Sie warten mussten«, sagte die Frau vom Sozialdienst, als sie in das kleine Besprechungszimmer zurückkam. »Normalerweise dürfen wir ohne gerichtliche Verfügung keine Einzelheiten weitergeben.« Mrs. Rita Jenkins nahm ihren Platz wieder ein. Sie war extra am Samstag zum Dienst gekommen, um sich mit uns zu treffen. Joesbury trat vom Fenster weg und setzte sich neben mich.
»Aber die Schweigepflicht erlischt doch, wenn die betreffende Person tot ist, oder?«, fragte er.
»Nun ja, ja, das stimmt«, bestätigte Mrs. Jenkins. »In der Akte ist ein Vermerk zu Catherines Tod«, fuhr sie fort. »Vor zehn Jahren, kommt das in etwa hin?«
Ich nickte.
Mrs. Jenkins furchte die Stirn. »Was Victoria betrifft, hat der Direktor nichts dagegen, dass ich Ihnen alles erzähle, was ich weiß.«
»Wir hoffen, jemanden ausfindig zu machen, der die Mädchen gekannt hat«, meinte Joesbury.
Mrs. Jenkins schürzte die Lippen. »Elf Jahre sind eine lange Zeit«, antwortete sie. »Im Sozialdienst wechseln die Mitarbeiter oft. Und damals war der South Glamorgan County Council für Adoptionen und Pflegeplätze zuständig. Den haben sie vor ein paar Jahren abgeschafft und die Abteilung nach Cardiff verlegt. Die Leute sind bei der Neustrukturierung ganz schön rumgeschoben worden. Ich kann versuchen, ein paar für Sie aufzutreiben, aber das könnte eine Weile dauern.«
»Das wäre nett«, sagte Joesbury, dem allmählich der Saft ausging.
Mrs. Jenkins blätterte eine der Akten durch. »So ein schlimmes Ende nimmt es nur selten«, bemerkte sie. »Ein junges Mädchen tot. Und mit vierzehn Jahren schwanger. Verdammte Schweinerei, das muss ich wirklich sagen.«
Der Mann neben mir hörte wieder genau zu.
»Wie bitte?«,
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