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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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nicht wirklich, wie lange sie schon hier ist, doch sie weiß, dass sie irgendwann aufgehört hat zu zittern. Und nur noch mühsam ihre Glieder bewegen konnte. Ihre Welt ist zu Dunkelheit und Kälte geworden.
    Und leise Krabbelgeräusche. Schaben und Kratzen und winzige, maunzende Schreie. Bewegung überall um sie herum. Sie hätte nicht geglaubt, dass an diesem kalten, schwarzen, leeren Ort Leben möglich wäre, aber es ist so. Und sie werden mutiger, die Krabbelwesen. Kriechen stetig näher heran. Vielleicht haben sie schon gemerkt, dass sie sich nicht rühren kann.
    Sie versucht zu schlucken, und es geht nicht. Selbst das Atmen geht nicht mehr leicht. Als sie das erste Mal allein gelassen wurde, hat sie geschrien, bis sie Blut schmeckte. Und dann wurde das Klebeband um den unteren Teil ihres Gesichts gewickelt. Als es entfernt wurde, sind große Büschel ihres Haares mit ausgerissen worden. Sie hat nicht wieder geschrien.
    Jäh hat Joanna das Gefühl, dass die Dunkelheit sich verändert hat. Sie ist nicht mehr beliebig. Die Dunkelheit hat jetzt eine Absicht, und diese Absicht kommt näher.
    »Sie sind da, nicht wahr?«, flüstert sie in die Richtung, aus der sie vielleicht etwas Schwereres als ein Kratzen gehört hat. »Sie sind zurückgekommen. Ich weiß, dass Sie zurückgekommen sind.«
    Wieder ein Geräusch. Diesmal definitiv ein Schritt.
    »Ich weiß, warum Sie das tun«, sagt Joanna, und jedes Wort schmerzt. »Ich weiß, was mein Bruder mit Ihnen und Ihrer Schwester gemacht haben soll.«
    Die Bewegung hat aufgehört.
    »Es tut mir leid«, stammelt Joanna hastig. »So habe ich das nicht gemeint. Ich habe bloß Angst. Was mein Bruder mit Ihnen und Ihrer Schwester gemacht hat .«
    Noch ein Schritt, immer näher, und Joanna hat eine Ahnung, dass sie schnell sprechen muss. »Was sie getan haben, war schrecklich. Das weiß ich«, stößt sie hervor. »Damit hätten sie niemals davonkommen dürfen.«
    Das Geräusch von raschelndem Stoff. Jemand kauert sich direkt vor ihr nieder.
    »Aber das hat doch nichts mit mir zu tun«, sagt Joanna. »Warum tun Sie mir das an?«
    Etwas Kaltes streift ihr Gesicht Ein schwappendes Geräusch. Sie kann Plastik riechen. Rasch biegt sie den Kopf zurück und lässt Wasser in ihre Kehle fließen. Das hilft ein bisschen. Als sie genug hat, schiebt sie die Flasche mit dem Mund weg. Ihre Entführerin ist ganz nahe. Wenn Joannas Hände nicht hinter ihrem Rücken zusammengebunden wären, könnte sie eine davon ausstrecken und das Gesicht der jungen Frau berühren.
    »Darf ich Sie etwas fragen?«, fragt Joanna.
    Einen Augenblick lang bekommt sie keine Antwort, doch sie weiß, dass die andere noch da ist. Sie kann sie atmen hören. Dann fragt eine leise Stimme: »Warum ich nicht einfach die Jungen umgebracht habe? Willst du mich das fragen?«
    »Ja.« Joanna fühlt sich schon schuldig, weil sie es nur ausspricht. Toby ist ihr Zwillingsbruder. Sie liebt ihn mehr als ihre Eltern. Und doch ist Toby der Grund dafür, dass sie hier ist.
    »Wie groß ist dein Bruder?«, fragt die Stimme. »Einsachtzig, einszweiundachtzig? Und er wiegt ungefähr neunzig Kilo. Du hast ja gesehen, wie groß ich bin. Es gibt für mich nur eine Möglichkeit, einen Mann von dieser Größe zu töten, und das ist eine Kugel durch den Kopf, aus sicherer Entfernung.«
    Sie verstummt, und Joanna wartet. Dann spürt sie, wie die Entführerin näher kommt.
    »Also«, flüstert die junge Frau ihr ins Ohr, »wo bleibt denn da der Spaß?«

85
    Wir verließen das Hotel am nächsten Morgen. Ich hatte sofort abreisen wollen. Joesbury hatte darauf bestanden, dass wir den Rest der Nacht blieben. In London gab es nichts, was Dana und ihr Team nicht auch ohne uns tun konnten, hatte er gesagt, und noch eine schlaflose Nacht würde uns beide völlig fertigmachen. Als wir auf die Severn Bridge zufuhren, klingelte sein Handy, und er bedeutete mir, das Gespräch anzunehmen.
    »Lacey, hier ist Dana.«
    »Wir brauchen noch etwas mehr als zwei Stunden«, meldete ich. »Je nach Verkehr. Gibt’s irgendetwas Neues?«
    »Nichts Gutes«, antwortete sie. »Ihre Mitbewohnerin hat Joanna Groves seit zwei Tagen nicht mehr gesehen. Sie hatte angenommen, Joanna wäre übers Wochenende weggefahren, aber sie ist nirgends zu finden.«
    Ich wandte mich Joesbury zu und schüttelte den Kopf. Er fluchte leise vor sich hin.
    »Lacey, ich weiß, was Sie Mark gestern Nacht erzählt haben«, sagte Tulloch. »Jetzt hören Sie mir mal zu, ich möchte nicht, dass Sie

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