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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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sie überhaupt gibt. Vor zehn Jahren hatten ich und ein paar andere sie unser Zuhause genannt. Und dieses wacklige Stück schwarzes Metall war meine Haustür gewesen.
    Die einfachen Pläne sind die besten, heißt es. Ich brauchte bloß Joanna zu finden, ohne dass Llewellyn mich bemerkte, sie aus dem Gewölbe hinauszuschaffen und in Sicherheit zu bringen und dann so schnell wie möglich aus London zu verschwinden. Ganz einfach.
    Nur dass die Tür keinen Millimeter nachgab, als ich mich daran versuchte. Es gab keine richtige Klinke, lediglich die beiden Metallösen, die das Vorhängeschloss zusammengehalten hatte. Ich versuchte, die Finger in den Spalt zwischen Tür und Türrahmen zu zwängen und zu ziehen, doch es tat sich nichts. Irgendwie war die Tür von innen verschlossen oder blockiert worden.
    Was zum Teufel sollte ich jetzt machen? Anklopfen?
    Es gab noch zwei andere Eingänge zum Windengewölbe, die jeder, der über die Katakomben Bescheid wusste, kannte. Ich verließ den Treidelpfad und stieg die Treppe zu den Schienen wieder hinauf. Oben blieb ich wie angewurzelt stehen. Ich hatte irgendjemanden, irgendetwas, blitzschnell davonhuschen sehen, keine zwanzig Meter entfernt. Rasch trat ich in den Schatten und wartete.
    Nach fünf Minuten hatte sich nichts gerührt, also nahm ich einen Fußweg, der mich an neu gebauten Häuserzeilen am Wasser vorüberführte. Ich ging den Weg in seiner ganzen Länge hinunter, bis ich die riesigen Holztore erreichte, die einem den einfachen Zugang zu einem der weitläufigeren Tunnels verwehren, der als der westliche Pferdetunnel bekannt ist. Das Geländer, das sich daran anschloss, war gerade hoch genug, dass ich von dort über die Tore flanken konnte.
    Die Tür zum Tunnel war mit einem Vorhängeschloss gesichert, und dieses Schloss zu sprengen brachte auch nichts. Die Tür blieb ebenso standhaft wie die Metallpforte. Zeit für Eingang Nummer drei.
    Diesmal nahm ich Gilbey’s Yard, die Hauptstraße durch eine Wohnsiedlung, und kletterte dann über die Mauer zwischen der Siedlung und den Gleisen. Graffiti auf der anderen Seite wiesen darauf hin, dass ich in den letzten Jahren nicht die Einzige gewesen war, die das getan hatte. Der Boden war nicht besonders eben, doch es war genug Licht vorhanden, hauptsächlich von dem nicht allzu weit entfernten Supermarkt, dass ich sehen konnte, wo ich hintrat. Der dritte »offizielle« Eingang war eine schmale Wendeltreppe in der Nordostecke des Gewölbes. Ob ich da wirklich hinuntergehen würde, war eine andere Frage; erst einmal würde ich mir das Ganze einfach nur ansehen.
    Vor mir war der Zaun, der die Treppe umgab. Als ich näher kam, sah ich, dass zwei senkrechte Zaunstreben gebrochen waren, wodurch eine Lücke entstand, durch die jemand von meiner Größe sich mit Leichtigkeit hindurchquetschen konnte. Also tat ich genau das.
    Auf der anderen Seite des Zauns lag die Treppe offen unter freiem Himmel da, genau wie ich sie in Erinnerung hatte. Hier sollte ich das Gewölbe betreten. Llewellyn hatte die beiden anderen Eingänge versperrt, so dass mir nichts anderes übrig blieb. Hier lag sie auf der Lauer.
    Was sie allerdings nicht wusste, was, darauf hätte ich wetten mögen, sicher nur sehr wenige wussten, weil ich es selbst nur durch Zufall herausgefunden hatte, war, dass es einen vierten Zugang zu den Windengewölben gab. Ich hatte niemandem davon erzählt; nicht aus Geheimniskrämerei, ich hatte einfach nicht geglaubt, dass es irgendjemanden interessieren würde. Doch ich würde darauf wetten, dass er noch existierte. Wenn ich mich dazu durchringen konnte, ihn zu benutzen.
    Wieder über die Mauer – leichter gesagt als getan, doch mittlerweile trieb mich reines Adrenalin voran –, joggte ich zum Treidelpfad zurück und dachte daran, wie ich vor zehn Jahren einmal versucht hatte, ohne Taschenlampe aus den Windengewölben herauszukommen. Ich war falsch abgebogen und fand mich in einem Tunnelabschnitt wieder, der, anstatt wie erwartet zum Kanal zu führen, parallel dazu verlief. Nach hundert Metern oder so endete er in einer Sackgasse.
    Neugierig geworden, war ich am nächsten Tag mit einer Taschenlampe zurückgekommen und hatte festgestellt, dass ein Teil der Mauer, die den Tunnel blockierte, eingestürzt war und dass es möglich war, in einen weiteren großen unterirdischen Raum hinüberzuklettern, der früher einmal als Keller eines großen Güterschuppens gedient hatte. Der Schuppen selbst war schon vor langer Zeit abgerissen worden.

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