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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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dass der Mord an Geraldine vielleicht erst der Anfang war, änderte alles. Wie ich Joesbury bemerken hörte, erstreckte sich das Tor jetzt über die ganze Breite des gottverdammten Spielfeldes.
    Gegen Ende des Tages hatte ich mich kurz auf die Toilette verdrückt. Sie war leer. Kurz darauf öffnete sich die Tür, und jemand betrat die Kabine neben meiner. Ich hatte gerade auf die Spülung gedrückt, als ich hörte, wie sich meine Nachbarin nebenan übergab. Ich wusch mir die Hände und wartete, bis sie fertig war.
    »Alles okay?«, erkundigte ich mich, als ich glaubte, dass es soweit war. »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
    Ich wartete noch ein paar Sekunden, doch es kam keine Antwort. Schließlich wandte ich mich zum Gehen, doch hinter der Tür, wo er den Haken verfehlt hatte und zu Boden gefallen war, lag ein hellblauer Trenchcoar, der von Tulloch. Ich war wohl nicht die Einzige, die nervös war.
    Also war ich aus einer Laune heraus hergekommen; mir war klar gewesen, dass ein Abend ganz allein in meiner Wohnung, nur mit meinen Gedanken, mich halb wahnsinnig machen würde. Und da war diese Melodie gewesen, die mir einfach nicht aus dem Kopf ging, »My Favorite Things«. Das ergab einfach keinen Sinn. Ich hatte seit Jahren nicht mehr an dieses alte Spiel gedacht, doch es war, als weiche der Damm, den ich in meinem Kopf errichtet hatte, allmählich auf und ließe alte Erinnerungen durchsickern wie Wasserrinnsale.
    Ich wusste nicht einmal mehr genau, was alles auf der Liste gestanden hatte. Ponys, auf jeden Fall Ponys. Ich hatte Pferde und pferdeähnliche Geschöpfe geliebt, in allen Größen und Formen, sogar Esel – deswegen gefielen mir wahrscheinlich die Camden Stables so sehr –, niedliche, runde, freche Ponys jedoch hatte ich am liebsten gehabt.
    Wenn ich mich jetzt auf den Heimweg machte, konnte ich noch die U-Bahn nehmen.
    »Wohin bist du denn am Freitagabend verschwunden?«
    Ich drehte mich um. Der blonde Mann, an den ich mich vom letzten Mal her erinnerte, trug Sonntagabend-Kleidung: Jeans und ein kurzärmeliges weißes Button-down-Hemd. Ein College-Sweatshirt hing um seine Schultern. Der legere Stil stand ihm besser als der Anzug, den er vor zwei Tagen angehabt hatte. Ich warf einen raschen Blick nach unten. Seine Schuhe sahen teuer aus.
    »Du bist ja gerannt wie von Furien gehetzt«, fuhr er fort, als ich nicht antwortete. Er sah besser aus, als ich ihn in Erinnerung hatte, und ein bisschen älter war er auch. Kein Ehering an der linken Hand. Er war über fünfunddreißig; höchstwahrscheinlich hatte er eine eigene Wohnung.
    »Ich hatte das Gas angelassen«, sagte ich.
    Er lächelte. »Und, hat’s eine Explosion gegeben?«
    Ich lächelte ebenfalls. »Noch nicht.«
    Um kurz nach zwei verließ ich sein Haus. Ich müsste früh zur Arbeit, behauptete ich. Er stand mit auf, bot mir an, mir ein Taxi zu rufen. Ich sagte, ich hätte das schon erledigt, während er gedöst hatte. Fast schien es ihm zu widerstreben, mich gehen zu lasen.
    Unkomplizierter Sex ohne irgendwelche Bedingungen mit einer schönen Fremden. War das nicht der Traum der meisten Männer? Das war es, was ich anbot, und es überraschte mich nie, wie leicht ich einen Mann, den ich kaum kannte, dazu bringen konnte, mich zu sich nach Hause einzuladen. Was mich überraschte, war die Anzahl derer, die mich wiedersehen wollten. Normalerweise hinterließ ich meine Nummer, mit ein paar Zahlendrehern darin. Vielleicht bekam ja irgendeine glücklich verheiratete vierfache Mutter auf der anderen Seite von London all meine telefonischen Anträge.
    Als ich die Haustür schloss und seine Schritte den Flur hinunter verklangen, stand ich einen Moment lang da, atmete die kühle Nachtluft ein und wartete darauf, abgeholt und nach Hause gebracht zu werden.
    Meine ersten Erfahrungen mit Männern und Sex waren von Missbrauch geprägt. Das ist gar nicht so ungewöhnlich, doch vor ein paar Jahren habe ich begriffen, dass Frauen mit meiner Vergangenheit eine Wahl haben. Nur allzu oft werden sie misstrauisch, fürchten jegliche Intimität, und dann klammern sie und machen sich abhängig, sobald ein anständiger Kerl vorbeikommt. Manche meiden Männer vollkommen und nehmen die Dinge selbst in die Hand, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und dann gibt es diejenigen, die die Kontrolle übernehmen.
    Das Taxi kam nach ein paar Minuten. Seit einigen Jahren bringt mich jetzt derselbe Fahrer in den frühen Morgenstunden nach Hause. Er begrüßt mich wie eine alte

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