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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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der Kantine, bevor ich zum Vernehmungszimmer ging.
    »Hi«, sagte ich, als ich die Tür aufstieß.
    »Wie lange wollt ihr mich noch hierbehalten?« Einige Zeit in Polizeigewahrsam zu verbringen war Emma Bostons äußerer Erscheinung nicht förderlich gewesen. Ihre Haut schien noch mehr Farbe eingebüßt zu haben, und die Pickel glühten dunkelrot und deutlich sichtbar. Sie trug noch immer ihre Sonnenbrille, obgleich es in dem Zimmer gar kein Tageslicht gab.
    »Das muss sein.« Ich setzte mich und bot ihr die Sandwiches an, damit sie sich eines aussuchen konnte. »Wir müssen herausfinden, wer diesen Brief geschrieben hat. Wenn der Betreffende irgendwelche Spuren in Ihrer Wohnung hinterlassen hat, dann brauchen wir die.«
    »Er hat das Ding durch den Briefschlitz geschoben«, entgegnete sie. »Alles, was er an Spuren hinterlassen hätte, wäre draußen an der Haustür. Ihr versucht zu beweisen, dass ich den Brief selbst geschrieben habe.«
    Es hatte keinen Sinn zu widersprechen. »Na ja, das müssen wir ausschließen«, antwortete ich. »Hat Ihnen schon jemand was zum Lunch angeboten?«
    »Ich hab das nicht geschrieben.«
    »Ich weiß«, sagte ich, und mir wurde klar, dass ich Emma wirklich nicht für eine Lügnerin hielt. »Aber wenn das Ding echt ist, müssen Sie sich vorsehen. Derjenige, der Geraldine umgebracht hat, hat Sie ausgesucht. Er weiß, wo Sie wohnen.«
    Darüber dachten wir beide einen Augenblick lang nach.
    »Nehmen Sie sich ein Sandwich«, drängte ich.
    »Ehrlich gesagt hat schon jemand …« Boston zuckte die Achseln und angelte sich ein eingewickeltes Tunfischsandwich. Sie betrachtete es und rümpfte die Nase.
    »Die Kantine bringt am Wochenende nicht gerade ihre Bestleistung«, bemerkte ich, gerade als die Tür hinter mir aufging. Ich drehte mich um und sah Joesbury in der Tür stehen, mit einer großen Delikatess-Sandwichtüte unter dem Arm. Er bedachte mich mit einem scharfen Blick, der ungefähr eine Nanosekunde währte, dann wandte er sich an Emma, die ihre Sonnenbrille abgenommen hatte und ihn ansah. Sie hatte wunderschöne grünbraune Augen.
    »Sagen Sie bloß nicht, sie hat Ihnen Kantinenfraß vorgesetzt«, knurrte Joesbury. »Dafür können Sie sie vor die Beschwerdekommission bringen. Erinnern Sie mich nachher daran, dann besorge ich Ihnen ein Formular.« Er leerte die Tüte auf den Tisch. »Hühnchen und Avocado mit Pesto-Dressing«, verkündete er. »Hab gerade noch das Letzte für Sie abgestaubt.« Er hob das noch immer eingewickelte Tunfischsandwich auf, schaute abermals kurz auf mich herab und zuckte dann an Emma gewandt die Achseln, wie um zu sagen: Was soll man da machen?
    »Einen netten Lunch noch, Ladys«, bemerkte er beim Hinausgehen.
    Die Tür schloss sich, und wir hörten, wie er ein paar Schritte den Flur hinunterging. Dann sagte er etwas zu irgendjemand, wahrscheinlich zu dem diensthabenden Sergeant, der laut herausplatzte.
    »Der ist nett«, stellte Emma fest und schraubte eine Flasche mit frisch gepresstem Orangensaft auf. »Nicht so wie all die anderen Höhlenmenschen hier. Nichts für ungut.«
    Ich hatte auf die Tür gestarrt. Jetzt drehte ich mich zu Emma um. »Oh, kein Problem.«
    »Er ist vorhin reingekommen, um darüber zu reden, ’ne Kamera über meiner Haustür anzubringen«, fuhr sie fort. »Für den Fall, dass der, der den Brief eingeworfen hat, noch mal wiederkommt.«
    Gerade wollte ich das Tunfischsandwich auspacken, als spitze Absätze vor der Tür klapperten; dann hörten wir Gayle Mizon ein paar halblaute Sätze mit Joesbury wechseln. Die Tür öffnete sich, und sie schaute zu uns herein. »Der Boss will Sie oben sprechen«, sagte sie zu mir.
    »Sie hat alle aus dem Pub zurückbeordert«, berichtete Mizon, während wir auf die Treppe zugingen. »Der verschmierte Fleck auf Emma Bostons Brief ist menschliches Blut.«
    Ich öffnete die Tür am Ende des Flurs und sah sie an. Sie nickte. »Es ist von Geraldine.«

21
    Um halb elf kam ich in meinem üblichen Jagdrevier in Camden an. Dort wurde es allmählich voll, und die Musik war laut genug, um jegliche potenzielle Konversation zu übertönen. Ich nahm meinen Drink mit nach draußen, schlenderte zu einer der Pferdestatuen hinüber und bereute bereits meinen Entschluss, spontan hierherzukommen.
    Den Nachmittag hatte ich damit verbracht, nach einer sinnvollen Beschäftigung zu suchen, weitgehend vergeblich. Selbst aus meiner Distanz zum Team konnte ich spüren, dass die Stimmung umgeschlagen war. Die Möglichkeit,

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