Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
Vom Netzwerk:
glaube, Sie bringen einem nichts als Ärger ein. Aber Dana hat aus irgendeinem Grund einen Narren an Ihnen gefressen, und im Moment kommt sie mit noch mehr Stress nicht klar. Also, ich warne Sie ihr zuliebe. Stecken Sie Ihre Nase nicht in irgendwelchen Dreck, sonst breche ich sie Ihnen.«
    In diesem Augenblick sah er aus, als wäre er ohne Weiteres dazu imstande. »Sie spinnen ja total«, sagte ich.
    Er trat noch näher an mich heran; eindeutig einer jener Männer, die sich ihrer Körpergröße bedienen, um andere einzuschüchtern. »Sie sind ein Officer der Polizei von London«, sagte er. »Ich schlage vor, Sie versuchen, sich das zu merken. Und ich hoffe wirklich, Sie ziehen in Camden nicht irgendwelche krummen Nummern ab. Aber wenn doch, dann finde ich das raus. Sehen Sie sich vor.«
    Er hatte sich abgewandt und strebte auf die Treppe zu, als ich wieder zur Vernunft kam. Ich durfte nicht zulassen, dass dieser Mann ernsthafte Nachforschungen über mich anstellte. Er war schon halb die Stufen hinauf, als ich meine Stimme wiederfand.
    »DI Joesbury.«
    Ich sah, wie er die Veränderung in meiner Stimme registrierte, sah, wie sich seine Schultern bewegten, als er abermals tief Luft holte.
    »Ich gehe nach Camden, wenn ich Sex haben will«, sagte ich leise und wusste genau, dass er angespannt lauschte. Dann ließ ich meine Jacke von den Schultern gleiten und sah, wie er sich umdrehte, als sie zu Boden fiel. Das Kleid, das ich trug, hatte keine Ärmel, wurde nur von dünnen Trägern gehalten.
    »Ich habe keinen festen Freund, und ich will auch keinen«, fuhr ich fort. Joesbury rührte sich nicht. Ich sah, wie das Licht der Straßenlaterne seine Haut mit einem sanften Goldton überzog. »Aber es gibt Zeiten, da reicht das, was ich allein tun kann, einfach nicht aus. Können Sie das verstehen?«
    Seine rechte Hand ballte sich um den Autoschlüssel, und er machte einen Schritt vorwärts. Er kam die Stufen wieder herunter. Was zum Teufel hatte ich gemacht? Das hier hatte ich nicht geplant, dafür war ich nicht bereit, würde nie dafür bereit sein. Und wieso hatte ich es nicht schon früher begriffen? Mark Joesbury machte mir Angst.
    Ich war zurückgetreten, konnte die Steinmauer kalt an meiner Haut spüren. Joesbury sah die Panik in meinem Gesicht und blieb auf der Treppe stehen. Er kniff die Augen zusammen, und wir starrten einander noch einen Moment lang an. Dann machte er kehrt, stieg die restlichen Stufen hinauf und verschwand.
    Noch lange, lange, nachdem ich seinen Wagen hatte wegfahren hören, blieb ich stehen, wo ich war. Ich machte mir nicht einmal die Mühe, meine Jacke aufzuheben. Als ich mir nicht mehr sicher war, ob ich vor Wut, vor Angst oder einfach nur vor Kälte zitterte, ging ich ins Haus.

23
    27. Oktober, elf Jahre zuvor
    Das Mädchen huscht barfuß über den Teppich oben an der Treppe. An der Badezimmertür bleibt sie stehen, beugt sich vor.
    »Cathy«, sagt sie mit einer Stimme, die selbst sie kaum zu hören vermag. »Bist du da drin?«
    Stille hinter der Tür. Sie sieht, wie ihr warmer Atem an der kalten Farbe zu Feuchtigkeit kondensiert, und klopft ganz leicht mit einem Finger. »Cathy, ist alles okay?«
    Sie hört das Geräusch eines laufenden Wasserhahns, dann klirrt der Ring des Handtuchhalters gegen die Kacheln.
    »Cathy«, versucht sie es noch einmal. »Es ist sonst niemand hier oben. Lass mich rein.«
    Cathy antwortet nicht. Das Mädchen drückt versuchsweise auf die Türklinke. Sie bewegt sich, die Tür nicht. Abgeschlossen.
    Sie wartet noch einen Augenblick oder zwei, dann wendet sie sich ab, geht auf das Zimmer zu. Das Licht ist noch an. Sie sieht die blutbefleckten Sachen auf dem Teppich und macht wieder kehrt.
    »Cathy.« Diesmal klopft sie lauter. Unten läuft der Fernseher, man wird sie nicht hören. »Cathy, blutest du wieder?« Keine Antwort. »Cathy, das ist was Ernstes. Die haben doch gesagt, dass das passieren könnte. Wenn du eine Infektion hast, dann musst du zum Arzt. Bitte, Cathy, lass mich doch rein.«
    Sie wartet. Und wartet.
     

 
    Teil 2
Annie
    »London liegt heute im Bann
eines großen Schreckens.«
    Star, 8. September 1888
     

24
    Freitag, 7. September
    »Detective Inspector Tulloch, wie sicher sind Sie, dass der Mörder heute Abend nicht wieder zuschlagen wird?«
    »Sicher bin ich überhaupt nicht«, antwortete Tulloch in jenem beherrschten Tonfall, vor dem wir uns alle vorzusehen gelernt hatten. »Aber ich sage es nun schon zum dritten Mal: Es gibt zu diesem Zeitpunkt

Weitere Kostenlose Bücher