Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
Vom Netzwerk:
Freundin.
    Oh, ich weiß sehr wohl, dass das nicht ungefährlich ist; ich bin ja nicht blöd. Aber im Lauf der Jahre habe ich ganz gut gelernt, die Männer einzuschätzen. Und bei den seltenen Gelegenheiten, wenn ich mich doch mal geirrt habe, konnte ich schon auf mich aufpassen. Sich fithalten, mit schwierigen Situationen fertigwerden, das alles gehört zum Alltag einer jungen Polizistin. Und wenn einmal alle Stricke reißen sollten, was bisher noch nie passiert ist, habe ich vor, dem Typen einfach meinen Dienstausweis unter die Nase zu halten und ihm mit einer Nacht in der nächsten Arrestzelle zu drohen.
    Alles in allem habe ich überhaupt keine Angst vor ein bisschen männlicher Aggression. Ich habe selbst genug davon, um dagegenhalten zu können.
    Vor meiner Wohnung stieg ich aus dem Taxi, bezahlte und wünschte dem Fahrer Gute Nacht. Endlich war ich richtig müde. Bestimmt würde ich tief und fest schlafen. Ich stieg die Stufen hinunter.
    Ich trug noch immer hochhackige Schuhe, daher geriet ich vollkommen aus dem Gleichgewicht, als eine Hand von hinten mein Haar packte. Es gab nichts, woran ich mich abstützen konnte, keine Möglichkeit, mich zu wehren, als ich die letzten beiden Stufen in den Schatten hinuntergezerrt wurde. Ein Gewicht, dem ich unmöglich widerstehen konnte, drängte mich vorwärts, bis mein Gesicht gegen das Holz meiner Haustür gepresst war. Ich fühlte, wie etwas Kaltes, Hartes gegen meinen Hals drückte, und wusste, dass mir ein Messer an die Kehle gesetzt worden war.
    »So einfach ist das«, sagte eine Stimme mir ins Ohr. »Das ist das Letzte, was Geraldine gefühlt hat.«

22
    Ohne Vorwarnung löste sich das Gewicht, das gegen mich gedrängt hatte. Fast wäre ich hingefallen, doch ich bekam gerade noch den Türrahmen zu fassen. Ich atmete tief durch und drehte mich um.
    Mark Joesbury betrachtete mich kopfschüttelnd, als wäre ich etwas, das ihm mit Gewalt in den Weg gestellt worden sei, das zu beachten aber völlig unter seiner Würde war. In der rechten Hand hielt er seinen Autoschlüssel. Das an meiner Kehle war ein Schlüssel gewesen, kein Messer.
    »Haben Sie sie eigentlich noch alle, verdammt noch mal?«, fragte er mit einer Stimme, die mit Leichtigkeit oben auf der Straße zu hören gewesen wäre.
    »Wie kommen Sie dazu, so über mich herzufallen?«, fauchte ich zurück. »Dafür kriege ich Sie dran –«
    »Ach, Sie wollen Tulloch also wirklich erzählen, dass Sie sich kreuz und quer durch London gevögelt haben, obwohl sie Ihnen ausdrücklich gesagt hat, Sie sollen nach Hause gehen, die Tür abschließen und ins Bett gehen?«
    Jeden Augenblick würde er die Leute aufwecken, die über mir wohnten.
    »Warum zum Teufel schleichen Sie mir nach, Sie erbärmlicher kleiner –«
    »Da draußen ist ein Kerl unterwegs, der darauf abfährt, Frauen aufzuschlitzen.« Joesbury trat einen Schritt näher, senkte die Stimme minimal. »Sie sind am Freitagabend einer direkten Begegnung mit ihm nur ganz knapp entgangen, und, nur für den Fall, dass das nicht durchgedrungen ist, er kennt Ihren Namen und weiß wahrscheinlich, wo Sie wohnen.«
    »Das gibt Ihnen noch lange nicht das Recht –«
    »Halten Sie die Klappe«, fuhr er mir über den Mund. »Die meisten Frauen in Ihrer Lage würden sich vor Angst ins Hemd machen. Wieso Sie nicht?«
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung …« Jeden Augenblick würde ich die Leute aufwecken, die über mir wohnten.
    Joesbury stand so dicht vor mir, dass ich seinen Atem auf meinem Gesicht spüren konnte. »Das hier ist Ihre letzte Chance, freiwillig auszupacken, Flint«, sagte er. Er brüllte nicht mehr, er war nur sehr wütend. »Wenn Sie irgendetwas über den Messermord von Freitagabend wissen, womit Sie noch nicht rausgerückt sind, dann rate ich Ihnen sehr, es jetzt auszuspucken.«
    Raindrops and roses. Blassblaue Augen, die starr in meine blickten.
    »Wenn Sie’s nämlich nicht tun und ich finde es raus«, fuhr er fort, »dann mache ich Sie fertig.«
    Tief durchatmen. Den letzten Rest Beherrschung zusammenkratzen. »Sie können mich mal«, brachte ich heraus.
    Einen Moment lang dachte ich, er würde zuschlagen, nur wegen des Ausdrucks in seinen Augen. Dann riss er sich zusammen, holte seinerseits tief Luft und stieß sie langsam wieder aus. Wieder schüttelte er den Kopf, und ich glaube nicht, dass mich jemals jemand mit solcher Verachtung gemustert hat.
    »Wenn’s nach mir ginge, würde ich mich ja gar nicht mit Ihnen abgeben, Flint«, knurrte er. »Ich

Weitere Kostenlose Bücher