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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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tatsächlich damit auseinanderzusetzen.
    »Suchen Sie nach irgendwas Bestimmtem?«, fragte einer der für die Überwachungskameras zuständigen Männer mich.
    Ich war in meine alte Dienststelle in Southwark zurückgekehrt, war dem Rest des MIT verstohlen gefolgt und zu dem Raum geeilt, wo die Aufnahmen sämtlicher Überwachungskameras im ganzen Viertel gesichtet werden. Dreißig Bildschirme senden ständig Liveübertragungen. Die Leute, die sie überwachen, können binnen Sekunden ein ganz bestimmtes Bild heranzoomen, und die Detailliertheit der Aufnahmen ist verblüffend. Man betrachtet Leute, die draußen vor einem Pub sitzen, und man kann dabei das Eis in ihren Gläsern schimmern sehen.
    » DI Tulloch möchte, dass ich einfach eine Weile zuschaue«, log ich. »Ich soll sehen, ob mich irgendetwas an letzte Woche erinnert. Können Sie irgendjemanden von unseren Leuten sehen?«
    Die Techniker fingen an, zwischen den Bildschirmen hin und her zu wechseln, und wir entdeckten mehrere Angehörige des MIT . Sie saßen in an Straßenecken parkenden Autos, schlenderten an Pubs und Geschäften vorbei. Mark Joesburys Wagen stand ungefähr zweihundert Meter vom Schauplatz des Mordes entfernt. Die Fahrertür öffnete sich, und er stieg aus. Dann tauchte DS Anderson aus der Beifahrertür auf. Während ich zusah, wie die beiden Männer in der Wohnsiedlung verschwanden, grübelte ich zum hundertsten Mal über Joesburys Drohung nach, Nachforschungen über mich anzustellen. Und ob er sie wohl tatsächlich wahrgemacht hatte.
    Eine Gestalt im blauen Mantel fiel mir auf einem Monitor weiter oben ins Auge. Dana Tulloch überquerte den Platz vor der Southwark Cathedral.
    Wenn Joesbury sehr oberflächliche Erkundigungen eingezogen hätte, dann hätte er herausgefunden, dass ich mit sechsundzwanzig zur Polizei gegangen war, vor gut drei Jahren, nachdem ich eine Weile Reservistin bei der Royal Air Force gewesen war. Dass ich bei allen Ausbildungskursen gute Noten bekommen und in meiner Freizeit Jura studiert hatte, und dass ich auf meine erste Bewerbung hin ins Ausbildungsprogramm zum Detective aufgenommen worden war.
    Wenn er meine Personalakte studiert hatte – unwahrscheinlich, aber wenn doch –, dann wusste er, dass ich an der Lancaster University Jura studiert, das Studium aber vor dem ersten Staatsexamen abgebrochen hatte. Er wüsste, dass ich mit fünfzehn von der Polizei verwarnt worden war, weil ich einen halbgerauchten Joint in der Tasche gehabt hatte, und dass ich ein Jahr später im Krankenhaus gelandet war, weil ich in einem Nachtclub zu viel Liquid Ecstasy genommen hatte. Bei meiner Entlassung am nächsten Tag hatte ich eine weitere polizeiliche Verwarnung bekommen.
    Ich sah, wie Tulloch die Tür der Southwark Cathedral aufzog und eintrat. Dann stand ich auf, dankte den beiden Kollegen und verließ das Zimmer.
    Wenn Joesbury sich richtig Mühe gegeben hatte, dann hatte er vielleicht in Erfahrung gebracht, dass ich in Shropshire geboren worden war, meinen Vater jedoch nie gekannt hatte, und dass mein Bruder und ich bei unseren Großeltern und hin und wieder im Heim aufgewachsen waren, nachdem meiner minderjährigen, drogensüchtigen Mutter die Verantwortung zu viel geworden war. Vielleicht wusste er auch, dass ich, nachdem meine Großmutter gestorben war und meine eigenen Drogenprobleme eskaliert waren, etliche Jahre ziellos durchs Leben getrieben war. Möglicherweise wusste er sogar, dass mein Bruder in Kanada lebte und dass wir beide seit Jahren nicht mehr miteinander gesprochen hatten.
    Das müsste alles sein. Hoffte ich.

25
    Die Kathedrale würde bald geschlossen werden. Ein betagter Kirchendiener hob beide Hände mit gespreizten Fingern und lächelte, ehe er mit einem Kopfnicken auf die Tür deutete. Ich hatte zehn Minuten.
    Tulloch blickte starr geradeaus auf das Buntglasfenster über dem Altar, als ich auf sie zuging. Bestimmt hatte sie mich näherkommen hören, doch sie verharrte so reglos wie die Steinfiguren um uns herum. Fast hätte ich mich wieder zum Gehen gewandt, dann überlegte ich es mir doch anders und sprach sie leise an. »Ma’am.«
    Sie fuhr zusammen, als hätte ich sie aus einem Nickerchen aufgeschreckt. »Was machen Sie denn hier?«, fragte sie.
    Gute Frage. »Entschuldigen Sie«, fing ich an, »ich habe Sie hier reinkommen sehen und …« Ich hielt inne; ich wusste eigentlich gar nicht recht, wieso ich ihr gefolgt war.
    »Und Sie haben sich gefragt, wieso ich hier drin bin und nicht draußen auf der

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