Dunkle Gebete
Emma Boston steckte, er hätte nichts mit Emma Boston zu tun, seine Wohnung befände sich unter der ihren, er wäre vorhin gar nicht zu Hause gewesen, als es passiert sei, und das sei alles echt voll abgefahrener Scheiß, Mann.
»Halten Sie den Mund und treten Sie zur Seite«, wies Tulloch ihn an. »Mark, sorg dafür, dass er nicht stiften geht.«
Nach einem kurzen Disput mit Joesbury darüber, wer als Erster hineingehen sollte, ging Tulloch voraus, den Flur entlang und die Treppe hinauf. Der Junge folgte ihr, dann kam Joesbury und schließlich einer der Streifenpolizisten. Der andere blieb vor der Haustür stehen.
Wir warteten. Ich sah, wie in einem Fenster im ersten Stock Licht anging. Der Constable vor der Haustür sprach kurz über Funk mit irgendjemandem. Es juckte mich gewaltig, aus dem Wagen zu steigen. Doch ich wusste, dass Tulloch mich in Stücke reißen würde, wenn ich das tat.
Emma Boston war unausstehlich und rechthaberisch gewesen, und sie hatte die Möglichkeit gehabt, mir das Leben ziemlich schwer zu machen. Aber eigentlich hatte ich sie recht gern gemocht. Ich wollte wirklich nicht darüber nachdenken, was Tulloch und Joesbury in dem Zimmer da oben gefunden haben könnten.
Geräusche auf der Treppe. Ich sah Joesburys Jeansbeine, dann kamen sowohl er als auch Tulloch in Sicht. Im trüben Licht des Flurs suchte ich in ihren Gesichtern. Beide sahen angespannt und verwirrt aus, aber nicht schockiert.
»Ist sie da oben?«, fragte ich und merkte, dass ich doch ausgestiegen war.
»Bei ihr ist eingebrochen worden«, berichtete Joesbury. »Die Wohnung ist ein bisschen verwüstet. Keine Spur von Emma.«
»Laut ihrem Nachbarn von unten muss das Ganze so gegen zehn Uhr heute Morgen passiert sein«, meinte Tulloch. »Er hat irgendwas rumpeln gehört, sich aber nicht die Mühe gemacht nachzusehen. Gesehen hat er nichts. Sagt, er hätte auch niemanden um Hilfe rufen hören.«
»Sie lebt nicht allein«, meinte ich. »Irgendwelche Spuren von ihrem Freund?«
Tulloch schüttelte den Kopf, gerade als der Streifenpolizist erschien, der sie ins Haus begleitet hatte, eine Hand auf der Schulter des Jungen. Aus den Augenwinkeln sah ich eine Bewegung und drehte mich um.
»Oh, Gott sei Dank!«, stieß ich hervor und trat einen Schritt vor.
Keine drei Meter entfernt, stand Emma Boston im Schein einer Straßenlaterne; ihre Brandnarbe hob sich dunkel gegen ihr blasses Gesicht ab. Sie sah stocksauer, aber zum Glück quicklebendig aus.
31
»Wie viele SMS haben Sie heute von Emma Boston bekommen?«, fragte Tulloch mich.
»Sechs«, wiederholte ich. »Die erste am frühen Vormittag und dann im Zwei-Stunden-Takt. Mit einer Mittagspause.«
Emma hatte in einem anderen Vernehmungszimmer des Reviers bereits bestätigt, dass in ihre Wohnung eingebrochen und ihr Handy gestohlen worden war. Die SMS , die ich den ganzen Tag bekommen hatte, konnten nicht von ihr gewesen sein, und bisher gelang es mir, nicht über die volle Bedeutung dieser Tatsache nachzudenken.
Außerdem hatte Emma die Sonnenbrille und den Schuh, die ich in Forest Hill gefunden hatte, als ihre identifiziert. Als sie gefragt wurde, warum sie den Einbruch nicht gemeldet hatte, bedachte sie uns mit einem vernichtenden Blick. Offensichtlich eine weitere Londonerin, die kein großes Vertrauen in die Fähigkeit der Polizei setzte, Einbrüche aufzuklären.
»Haben Sie auf eine dieser SMS geantwortet?«, wollte Joesbury wissen. Ich schilderte meine knappen, höflichen Antworten.
»Und die sechste war die, die Sie heute Abend kurz vor halb zehn bekommen haben?«, fragte Tulloch. »Die, die gekommen ist, als wir alle gerade weggefahren waren?«
»Genau«, bestätigte ich. »Das war die, in der es hieß, ich soll mich in Forest Hill mit Emma treffen.«
»Wenn Boston die Wahrheit sagt, ist jemand in ihre Wohnung eingebrochen und hat ihr Handy geklaut, nur um an Sie ranzukommen«, bemerkte Joesbury. Ich achtete nicht auf ihn. Ich hätte wirklich gut auf seine Anwesenheit verzichten können; ich musste meine fünf Sinne beisammen haben, und irgendwie schien das nie der Fall zu sein, wenn er dabei war.
»Nach der SMS , in der es hieß, ich soll nach Forest Hill kommen, habe ich versucht, sie anzurufen«, berichtete ich Tulloch. »Sie hat nicht geantwortet, hat nur noch eine SMS geschickt und mich gebeten zu kommen. Ich habe der Zentrale Bescheid gesagt, und dann bin ich losgefahren.«
Tulloch nickte. »Und dann, kurz nachdem Sie angekommen sind, haben Sie die letzte
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