Dunkle Gebete
Mitternacht. Joesbury war da; er unterhielt sich mit DS Anderson. Als wir eintraten, blickten alle auf.
Tulloch hob die Stimme. »Okay, wir müssen davon ausgehen, dass es da draußen noch eine Leiche gibt. Jedenfalls bis wir die Bestätigung bekommen, dass das Organ entweder von einem Tier stammt oder nicht echt ist«, teilte sie sämtlichen Anwesenden mit. »Die Crux ist nur: Als Flint heute Abend bei dem Schwimmbad in Forest Hill angekommen ist, hat sie tatsächlich eine Frau schreien hören. Sie ist sich ziemlich sicher, dass der Schrei aus dem Innern des Gebäudes kam, was den Schluss nahelegt, dass es sich um die Stimme unseres Opfers gehandelt hat.«
»Klingt durchaus vernünftig«, bemerkte Anderson.
»Was ist also mit dieser Frau passiert?«, fragte Tulloch. »Ich meine, mit den fünfundneunzig Prozent von ihr, die sich gegenwärtig nicht in der Pathologie im St. Thomas’ Hospital befinden.«
»Der Uterus kann nicht von dem Opfer stammen«, wandte ich ein. »Dafür war einfach nicht genug Zeit. Zwischen dem Zeitpunkt, als ich den Schrei gehört habe, und dem, als wir das Handy und die Puppe im Becken gefunden haben, können nicht mehr als fünf, vielleicht zehn Minuten gelegen haben. Es wäre einfach nicht möglich, jemanden umzubringen, größere Organe herauszuschneiden, eins davon in eine Plastiktüte zu stecken und mit einer Leiche über der Schulter das Gebäude zu verlassen. Tut mir leid, wenn ich das so dahinsage, aber das geht einfach nicht.«
»Sollte man meinen, nicht wahr?«, pflichtete Tulloch mir bei, ehe sie sich an Anderson wandte. »Die Spurensicherung hat da unten sonst nichts gefunden?«
Er schüttelte den Kopf. »Bis jetzt nicht.«
»Dann muss ich mich geirrt haben«, sagte ich. »Der Schrei muss von irgendwo weiter weg gekommen sein.«
»Die Kollegen von der Streife suchen noch immer die ganze Gegend ab«, meinte Anderson. »Der Leichnam könnte irgendwo in der Nähe abgelegt worden sein.«
»Es wäre trotzdem nicht genug Zeit gewesen«, beharrte ich. »Ganz gleich, wo die Stimme herkam, er hätte trotzdem nicht genug Zeit gehabt, zu … zu tun, was er getan hat, und dann zu verschwinden. Der Schrei kann nichts mit dem zu tun haben, was wir gefunden haben.«
»Markerschütternde Schreie im Umkreis von fünfzig Metern von einem menschlichen Körperteil, das ist für mich ein bisschen viel Zufall«, bemerkte Joesbury. »Könnten Sie vielleicht eine Tonaufnahme gehört haben?«
Ich nickte. Daran hatte ich nicht gedacht.
»Sie glauben, der Mörder hat die Schreie des Opfers aufgenommen und sie dann da abgespielt, wo er genau wusste, dass Lacey sie hören würde?«, fragte Anderson.
»Irgendjemand wollte, dass sie in dieses Gebäude geht«, gab Joesbury zurück. »Er hat praktisch Hinweisschilder aufgehängt.«
Tulloch bedachte mich mit einem letzten finsteren Blick. Noch immer war mir nicht verziehen, dass ich das Schwimmbad allein betreten hatte. »Okay, Leute, wenn ihr nicht gerade irgendetwas Dringendes und absolut Unerlässliches zu tun habt, will ich, dass ihr nach Hause geht«, rief sie. »Morgen früh ist Teambesprechung, je nachdem, wann wir in der Pathologie gebraucht werden.«
Um uns herum schickten sich die Anwesenden an aufzubrechen. Tulloch drehte sich zu mir um.
»Ihr Auto steht noch in Forest Hill, nicht wahr?«
»Stimmt«, antwortete ich und überlegte, ob Stenning mir vielleicht anbieten würde, mich zu fahren. Ich hatte wirklich keine Lust, ein Taxi zu nehmen.
»Ich lasse es abholen«, sagte Tulloch. »Nur für den Fall, dass derjenige, der Sie ins Schwimmbad gelockt hat, beschlossen hat, den Wagen anzufassen, während Sie dort drinnen waren.«
Super. Zum zweiten Mal innerhalb von gut einer Woche war ich mein Auto los.
Wieder hob Tulloch die Stimme. »Ich brauche jemanden, der DC Flint nach Hause fährt und ihre Wohnung überprüft.«
»Ich mach’s.« Joesbury richtete sich von dem Schreibtisch auf, an dem er gelehnt hatte. »Ich fahre sowieso bei ihr vorbei«, fügte er hinzu. »Und außerdem glaube ich, Flint und ich müssen das Kriegsbeil begraben.«
»Ich könnte doch ein Taxi nehmen …«, versuchte ich es.
»Nein«, entschied Tulloch und warf einen kurzen Blick in meine Richtung. »Sie bleiben bei jemandem, dem ich vertraue, und Mark wohnt von Ihnen aus gesehen gleich auf der anderen Seite des Flusses.« Sie beugte sich über den Schreibtisch, um nach dem Telefon zu angeln, und bemerkte meinen Gesichtsausdruck. »Ach, Herrgott noch mal,
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