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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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Tulloch stand abermals auf und holte mir ein Glas Wasser von einem Tablett auf einem Beistelltisch. Als sie mir das Glas hinhielt, rutschte der Ärmel ihrer Bluse zurück, und ich erhaschte einen kurzen Blick auf eine Narbe an ihrem rechten Handgelenk. Ungefähr fünf Zentimeter lang, zog sie sich über die Innenseite des Handgelenks, blass und hässlich auf der milchkaffeefarbenen Haut.
    Was hatte sie gestern Abend in der Kathedrale gesagt? Narben gehen tief? Ich hatte das nicht wörtlich genommen. Als ich das Glas nahm, zog sie die Hand weg und schob den Ärmel zurecht. Ich trank fast das ganze Wasser und putzte mir die Nase, dann polierte ich meine Brille und setzte sie wieder auf.
    »So hat der Ripper es auch gemacht«, sagte ich, als ich meiner Stimme wieder traute. »Er hat sich Leute ausgesucht – Leute von der Polizei, der Presse, sogar von den Bürgerwehrkomitees. Er hat sie ausgesucht und ihnen Botschaften geschickt. Er hat mit ihnen gespielt. Unser Täter hält sich bloß an das historische Muster.«
    Es klopfte an der Tür.
    »’tschuldigung, Boss.« Es war DS Anderson. »Die von der Spurensicherung machen in Forest Hill Schluss. Wollen gleich morgen früh weitermachen, aber bis jetzt gibt’s nichts zu berichten. Rein ist er über die Feuertreppe, wie wir gedacht haben. Kein Anzeichen dafür, wie er wieder rausgekommen ist. Bostons Handy und ihre anderen Sachen sind im Labor. Da sind Fingerabdruckspuren dran, aber es wird ’ne Weile dauern, die alle auf die Reihe zu kriegen.«
    »Was ist mit dem Organ passiert, das wir gefunden haben?«, fragte Tulloch. Sie sah erschöpft aus, und mir ging auf, dass Hahnenkämpfe zwischen mir und Joesbury das Letzte waren, was sie brauchte.
    »Ist in die Pathologie vom St. Thomas’ Hospital gebracht worden«, antwortete Anderson, während sein Blick von mir zu Tulloch huschte. »Die gucken sich das Ding gleich morgen früh an. Sagen uns Bescheid, wenn wir rüberkommen können.«
    »Danke«, sagte Tulloch.
    »Wissen Sie, Boss, das könnte durchaus ein schlechter Scherz sein«, meinte Anderson. »Hier in der Stadt gibt’s jede Menge Medizinstudenten. Könnte sein, dass uns da einer verarschen will, uns erst für nichts und wieder nichts zum Mandela Way rausschickt und dann für Flint und mich ein kleines Präsent aus dem Anatomiekurs hinterlegt.«
    »Hoffen wir’s«, erwiderte sie. »Wie sieht’s mit der Vermisstenliste aus?«
    »Wir suchen nach Frauen zwischen sechzehn und sechzig, die im Lauf der letzten Woche in London als vermisst gemeldet worden sind«, antwortete Anderson. »Bis jetzt kein Treffer.«
    »Danke, Neil. Ich komme gleich runter.«
    Anderson bedachte mich mit einem letzten verwirrten Blick und ging.
    »Da gibt es etwas, das Sie wissen müssen, Flint«, sagte Tulloch, als ich aufschaute. Sie hatte auf Joesburys Stuhl Platz genommen. »Mark hat den Polizeiarzt überredet, ihn für voll einsatzfähig zu erklären, und ich habe ihn für die nächsten paar Wochen ins Team abstellen lassen.«
    Na super.
    »Heute Nacht hat unser Mörder eine Grenze überschritten«, fuhr sie fort. »Frauen die Gebärmutter herauszuschneiden und sie herumliegen zu lassen geht meiner Auffassung nach einen Schritt zu weit. Wir müssen den Kerl unbedingt drankriegen.«
    Ich wartete. Ihrer Miene nach hatte sie noch mehr zu sagen.
    »Aber ich bin keiner von diesen Machotypen, die glauben, sie schaffen das allein«, erklärte sie. »Ich brauche Mark. Ich glaube, Sie brauche ich vielleicht auch. Und es wäre wirklich hilfreich, wenn Sie beide –«
    »Ich weiß.« Ich ließ sie nicht ausreden. Mittlerweile schämte ich mich ziemlich gründlich. »Natürlich. Es tut mir leid.«
    »Was passiert jetzt mit Emma und ihrem Freund?«, fragte ich, als wir nach unten gingen.
    »Wenn sie wollen, können die beiden heute Nacht hierbleiben«, antwortete Tulloch. »Wenn sie irgendwo anders hin können, habe ich nichts dagegen, dass sie gehen. Aber die Wohnung ist gesperrt, bis unsere Leute damit fertig sind.«
    »Emma wird die Story gleich morgen früh rausbringen«, meinte ich.
    »Im Augenblick hat sie gar keine Story«, entgegnete Tulloch. »Sie weiß nicht, wo wir ihr Telefon gefunden haben oder was noch dort war. Ich habe ihr gesagt, dass wir bald eine Pressekonferenz geben werden und dass sie danach eine Viertelstunde allein mit mir sprechen kann. Solange sie Sie weiter aus den Zeitungen heraushält.«
    »Danke.« Wir hatten den Einsatzraum erreicht. Er war noch voll, lange nach

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