Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
Vom Netzwerk:
nicht. Wir wussten alle genug über die Ripper-Fälle, um zu erkennen, dass die Puppe in exakt dieselbe Stellung gebracht worden war, in der man Annie Chapmans Leiche gefunden hatte. Emma Bostons Handy lag zu Füßen der Puppe, genau dort, wo der Ripper damals Chapmans Habseligkeiten zurückgelassen hatte. Über der rechten Schulter der Puppe lag ein durchsichtiger Plastikbeutel. Joesbury starrte den Beutel an. Ich glaube, er blinzelte nicht einmal. Ich warf einen raschen Blick auf Anderson. Genau dasselbe. Dann räusperte sich Joesbury.
    »Okay, Flint, Sie sind unsere Expertin in allem, was mit dem Ripper zu tun hat«, sagte er. »Der Täter hat doch Trophäen gesammelt, nicht wahr? Teile, die er aus seinen Opfern herausgeschnitten und an die Polizei geschickt hat, um sie zu verhöhnen?«
    Dies war wohl kaum der richtige Zeitpunkt, sich über die verschiedenen Theorien zu der Frage auszulassen, was mit den Innereien der Ripper-Opfer geschehen war, daher nickte ich nur, als Joesbury einen Schritt auf den Plastikbeutel zu machte. Er leuchtete mit der Taschenlampe darauf und hockte sich dann hin, um ihn genauer betrachten zu können.
    »Haben Sie mir nicht erzählt, einem von den Opfern hätten die Nieren gefehlt?«, fragte er.
    »Das ist keine Niere«, wandte Anderson ein, der ebenfalls näher getreten war. »Nieren haben nicht so eine Form.«
    In dem Beutel befand sich ein annähernd dreieckiges Stück Muskelgewebe, etwa acht Zentimeter lang und an der breitesten Stelle ungefähr fünf Zentimeter breit. Es war von Blutgerinnseln umgeben. Ich brauchte nicht näher heranzugehen, um zu wissen, was das war.
    »Annie Chapman hatte ihre Nieren noch«, sagte ich. »Ihr fehlte die Gebärmutter.«

30
    Eine halbe Stunde später hielt Dana Tulloch vor den heruntergekommenen Reihenhäusern in Shepherd’s Bush, wo Emma wohnte. Abgesehen von einem knappen »Welcher Teil von ›Bleiben Sie im Wagen‹ war eigentlich so schwer zu verstehen, Flint?«, hatte sie kaum ein Wort mit mir gesprochen, seit sie im Schwimmbad eingetroffen war. Es war ziemlich eindeutig, dass ich jetzt nur aus einem einzigen Grund mit dabei war: damit sie mich im Auge behalten konnte, nicht weil ich vielleicht irgendetwas Wesentliches beitragen könnte.
    Das flackernde Blaulicht zweier Streifenwagen hatte auf uns gewartet. Die Polizisten, die darin saßen, hatten bis zu unserer Ankunft die Vorder-und die Rückseite des Hauses im Auge behalten. Als der Motor erstarb, sah ich Joesbury auf uns zukommen; er hatte seinen Wagen ein Stück weiter unten an der Straße geparkt. Tulloch drehte sich zu mir um und öffnete den Mund.
    »Ich habe eine SMS bekommen, in der ›Hilfe‹ stand, und ich habe Schreie gehört«, sagte ich. »Was hätten Sie denn getan?«
    »Ich hätte getan, was man mir verdammt noch mal gesagt hat«, gab sie zurück, und ihr Blick huschte von mir zu Joesbury.
    Nun, ich konnte einem DI ja wohl schlecht ins Gesicht sagen, dass das eine glatte Lüge war. »Wir sind die Polizei«, erwiderte ich. »Wir sollen den Leuten doch helfen.«
    Tullochs Augen wurden schmal. Sie streckte die Hand nach dem Türgriff aus. »Muss ich es Ihnen noch einmal sagen?«, fragte sie.
    »Betrachten Sie mich hiermit als am Sitz festgeleimt.«
    Als sie ausstieg und sich zu Joesbury gesellte, drückte ich auf den Knopf, mit dem man das Beifahrerfenster herunterließ. Tulloch hatte nicht gesagt, dass ich nicht mithören durfte. Sie und Joesbury gingen den kurzen Weg zur Haustür hinauf. In dem winzigen Vorgarten standen überquellende Mülltonnen. Irgendein Tier, wahrscheinlich ein Fuchs, hatte einen der Müllsäcke aufgerissen. Die ganze Gegend stank nach faulenden Lebensmitteln.
    Joesbury hämmerte energisch gegen die Tür, so dass diese im Rahmen erzitterte.
    »Polizei!«, rief er. »Aufmachen.«
    Er klopfte noch einmal, dann trat er zurück und schaute an dem Haus hinauf. »Ich hab kein gutes Gefühl bei dem Ganzen«, bemerkte er und zeigte auf die Kamera, die er über Emmas Haustür hatte anbringen lassen. Irgendwann nachdem sie installiert worden war, hatte jemand einen Ziegelstein dagegengeschmissen.
    »Da kommt jemand«, stellte Tulloch fest, als aus dem Haus Geräusche zu vernehmen waren, das Rascheln von Papier, ein Scheppern und ein leiser Fluch. Dann ging die Tür nach innen auf. Tulloch trat vor und hielt ihren Dienstausweis hoch, während ein dürrer Jüngling von ungefähr zwanzig Jahren und sehr ungesundem Aussehen stotterte, dass er keine Ahnung hätte, wo

Weitere Kostenlose Bücher