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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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gekriegt? Die ›Hilfe‹- SMS ?«
    »Derjenige, der die Nachricht geschickt hat, muss gesehen haben, wie Sie mit dem Auto dort angehalten haben«, stellte Joesbury fest. »Ist Ihnen auf der Straße irgendjemand aufgefallen? Haben Sie irgendetwas Ungewöhnliches gesehen?«
    »Nichts«, sagte ich zu Tulloch. »Alles hat völlig normal ausgesehen. Bis ich die Sonnenbrille an der Feuerleiter entdeckt habe. Und das eingeschlagene Fenster.«
    »Als ich Sie gefunden habe, haben Sie gesagt, Sie hätten jemanden schreien hören«, sagte Joesbury. »Wann war das?«
    Ich holte tief Luft und gönnte mir einen Moment. »Das war, als ich ganz oben an der Feuertreppe war«, antwortete ich, an die Tischplatte gewandt. »Ich habe etwas gehört, was sich wie ein Schrei angehört hat; es kam von drinnen.«
    »Unverständliche Schreie oder Worte?«, wollte Joesbury wissen.
    Ich schüttelte den Kopf. »Einfach nur Schreie. Ich glaube, ich erinnere mich nicht an irgendwelche Worte.«
    »Mann oder Frau?«
    Ach, konnte der Kerl sich nicht mal einen Kaffee holen gehen? Noch mal tief Luft holen. »Ich bin mir nicht sicher, es war nur ganz kurz. Weiblich, glaube ich.«
    »Wie alt? Kind, Erwachsene, alt?«
    Wenn ich noch öfter tief durchatmete, würde ich hyperventilieren. »Ich weiß es nicht«, antwortete ich. »Vielleicht ist es nicht mal aus dem Gebäude gekommen. Es könnten Kinder in der Nähe gewesen sein. Ich hatte Angst, und ich habe nicht klar gedacht.«
    »Als ich Sie gefunden habe, hatten Sie nicht nur Angst, Sie waren wie versteinert«, sagte Joesbury. »Wieso hätten Sie solche Angst gehabt, wenn Sie nur Kindergeschrei gehört hätten?«
    Ich fuhr so schnell herum, dass ich beinahe meinen Stuhl umkippte. »Na ja, Scheiße, lassen Sie mich mal nachdenken.« Zum ersten Mal wandte ich mich direkt an Joesbury. »Vor acht Tagen ist eine Frau erstochen worden. Sie ist in meinem Armen gestorben. Vielleicht bin ich ja ein bisschen nervös.«
    Joesbury freute sich einfach nur, dass er meine Abwehr geknackt hatte. »Da holt Sie wohl Ihre Vergangenheit ein, wie, Flint?«, fragte er und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, während ich ihn wütend anfunkelte. »Haben sich Ihre alten Freunde gemeldet?« Er wandte sich an Tulloch. »Wusstest du, dass dein neuer kleiner Liebling als Teenager wegen Drogenbesitz verwarnt worden ist?«
    »Ja, das habe ich gewusst«, gab Tulloch zurück. Ich sah sie verblüfft an, und Joesbury runzelte die Stirn. »Und erzähl mir bloß nicht, dass du das nicht bereits gewusst hast.«
    Tullochs Unterstützung verhalf mir zu dem bisschen zusätzlichen Mut, den ich brauchte. »Wieso sind Sie überhaupt hier, Joesbury?«, fragte ich. »Sie sind doch gar nicht an den Ermittlungen beteiligt.«
    Seine Augen wurden schmal. »Na, Sie ganz sicher auch nicht«, erwiderte er. »Und trotzdem landen Sie immer wieder mittendrin. Da muss ich mich doch fragen, warum das so ist. Und was ich mich noch frage, Flint, ist, wo Sie heute Vormittag vor halb elf waren, als Sie, wie man mir gesagt hat, zur Arbeit gekommen sind.«
    »Mark –«
    »Zu Hause«, unterbrach ich Tulloch. »Ich musste etwas mit meinem Vermieter besprechen. Ich hatte die Genehmigung vom Sergeant, später zu kommen.«
    »Also kann Ihr Vermieter das bestätigen?«, wollte Joesbury wissen.
    »Er hat angerufen und einen neuen Termin ausgemacht«, erwiderte ich. »Was soll das eigentlich?«
    »Okay, ihr beiden …«
    Ich wandte mich an Tulloch. »Ich will, dass er verschwindet«, verkündete ich, während ihre Augenbrauen bis zum Haaransatz hinaufschossen. »Ich will, dass er verschwindet, oder ich will einen Anwalt.«
    Jetzt lächelte Joesbury mich an. Und das war nicht sein übliches Grinsen, dieses Lächeln war gemein. »Haben Sie was zu verbergen, Flint?«
    »Ficken Sie sich ins Knie.«
    »Mark –«
    »Okay, okay. Wir sehen uns später, Ladys.« Er stemmte sich von seinem Stuhl hoch und schlenderte hinaus. Die Tür schloss sich, und ich ließ den Kopf in die Hände sinken. Tulloch schwieg. Einen Moment später hörte ich, wie sie aufstand und durchs Zimmer ging, gleich darauf stand eine Schachtel Papiertaschentücher vor mir. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich weinte.
    »Elefant im Porzellanladen ist milde ausgedrückt«, bemerkte sie. »Aber er hat nicht ganz unrecht. Da scheint wirklich jemand auf Sie fixiert zu sein, und wir müssen uns fragen, warum.«
    Ich nahm meine Brille ab und wischte mir die Augen. Was zum Teufel war in mich gefahren? Ich weinte nie.

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