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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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Flint«, schnappte sie. »Er beißt schon nicht.«
    Da ich wusste, dass es nur kindisch aussehen würde, wenn ich mich weiter sträubte, nahm ich meine Tasche und ging zur Tür. Als ich an Tulloch vorbeikam, sah ich, wie sie Joesbury einen ihrer »Augenbrauen-an-der-Decke«-Blicke zuwarf. Damit war er auch eingenordet.

32
    Gute Absichten hin oder her, von Kriegsbeil-Begraben war auf der Fahrt nach Hause nicht viel zu bemerken. Joesbury schaltete die Stereoanlage ein, als wir in Lewisham vom Parkplatz fuhren, und drehte die Lautstärke auf. Ich saß auf dem Beifahrersitz, meine Tasche gegen die Brust gedrückt, und lauschte einer hypnotischen Mischung aus House-und Jazz-Clubmusik. Nach einer Weile begannen meine Augen von den grellen weißen und orangegelben Lichtern South Londons zu schmerzen, und ich machte sie zu. Ich war viel erschöpfter, als mir klar gewesen war.
    Mittlerweile war die Stadt zur Ruhe gekommen, und wir brauchten nicht lange. Joesbury wurde langsamer und bog in meine Straße ein. Ich öffnete die Augen.
    »Danke«, sagte ich, als er an den Bordstein fuhr. Dann zwang ich mich zu blinzeln und wünschte, mein Kopf würde sich nicht so benebelt anfühlen. Das heiße, laute Wageninnere hatte wie eine Droge gewirkt. Ich brauchte kalte Luft und Stille. Als ich die Tür aufstieß, merkte ich, dass er den Motor abgestellt hatte. Ohne mich umzuschauen, stieg ich aus und richtete mich auf. Dann hörte ich eine Tür zuschlagen und begriff, dass Joesbury ebenfalls ausgestiegen war.
    »Sie kommen nicht mit rein«, sagte ich und drehte mich zu ihm um.
    Er zuckte mit keiner Wimper. »Falsch«, antwortete er über das Wagendach hinweg. »Ich fahre nicht eher weg, als bis ich weiß, dass kein böser Buhmann unterm Bett lauert und dass sämtliche Ein-und Ausgänge gesichert sind. Tully würde mir das niemals verzeihen. Möchten Sie, dass ich vorgehe?«
    Ich machte kehrt, ging langsam die Treppe hinunter und ließ mir reichlich Zeit dabei, nach meinem Hausschlüssel zu suchen, obwohl ich genau wusste, wo in meiner Tasche der war. Die ganze Zeit konnte ich ihn spüren, nur Zentimeter entfernt, konnte ihn leise atmen hören.
    Scheiß drauf, niemand kam in meine Wohnung. Niemand.
    »Würde es Ihnen was ausmachen, mal unter der Treppe nachzusehen?«, fragte ich ihn, während ich den Schlüssel ins Schloss steckte. »Da haben sich schon echt widerwärtige Typen versteckt und sind über mich hergefallen.«
    »Sie verschwenden Ihre Zeit, DC Flint«, erwiderte er. »Sie können mich nicht beleidigen. Keine Chance!«
    Ich drehte mich herum und betrachtete ihn von oben bis unten. »Vielleicht habe ich ja einfach noch nicht genug von Ihnen zu sehen bekommen«, gab ich zurück.
    Einen Moment lang dachte ich, er würde vielleicht lachen. Dann verzogen sich seine Mundwinkel zu einem trägen Lächeln. Er wandte den Blick nicht von mir ab. »Na ja«, meinte er, »immer brav eins nach dem anderen.«
    Ich drehte mich wieder zur Haustür um, schloss sie auf, fand den Lichtschalter und trat ein. Was zum Teufel dachte ich mir eigentlich? Das war jetzt das zweite Mal, dass ich diesen Mann angebaggert hatte. Selbst wenn er nicht einer der widerlichsten Typen gewesen wäre, die mir seit Langem begegnet waren, zwischen ihm und Tulloch lief mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit etwas. Ich ließ meine Tasche auf einen Stuhl fallen und ging zum Kamin hinüber, wobei ich automatisch die Brille abnahm und sie auf dem Sims ablegte. Bring’s hinter dich. Soll er tun, was er tun muss, und dann abhauen.
    Als ich mich wieder umwandte, stand er in der Tür und ließ den Blick durch das größte Zimmer meiner Wohnung wandern. Er versuchte nicht einmal, sein Erstaunen über die saubere, weiße Weite zu verbergen, über das Minimum an Mobiliar und – abgesehen von Pflanzen – das völlige Fehlen jeglicher persönlichen Habseligkeiten. Als ich nichts sagte, machte er sich an die Arbeit.
    Als Erstes nahm er sich die Haustür vor. Sie hatte ein einfaches Sicherheitsschloss, nach Londoner Standards geradezu lachhaft unzureichend, aber es ist ja nicht so, als gäbe es bei mir irgendetwas zu stehlen. Dann ging er durchs Wohnzimmer und durch die kleine Küche und verschwand. Ich hörte, wie er die Badezimmertür öffnete und den Duschvorhang zurückzog. Was er im Badezimmerschränkchen zu finden hoffte, weiß ich nicht, aber ich hörte, wie auch das geöffnet und wieder geschlossen wurde. Das Geräusch der Kleiderschranktüren verriet mir, dass er

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