Dunkle Gebete
seiner Jacke.
»Verdächtiger ist auf der Vauxhall Bridge«, keuchte ich ins Funkgerät und fühlte Hoffnung in mir aufsteigen. Auf der Brücke würde ich freie Bahn haben. Es bestand eine Chance, dass ich ihn einholte. Es war sogar möglich, dass jemand ihm auf der anderen Seite den Weg abschnitt. Die Vauxhall Bridge führte fast direkt nach Westminster, eine Gegend, wo immer viel Polizei unterwegs ist.
»Verdächtiger hat erstes Drittel der Vauxhall Bridge überquert, läuft nach Nordwesten.« Mir ging schnell die Puste aus. »Verdächtiger trägt weite schwarze Jacke, Jeans und eine schwarze Mütze. Vermutlich Samuel Cooper.«
Der Verdächtige, bei dem es sich vermutlich um Samuel Cooper handelte, blieb urplötzlich mitten auf dem Fußgängerweg der Brücke stehen. Ich hielt ebenfalls an. Der Verkehr auf unserer Seite der Brücke floss ganz normal. Die Gegenspur war leer, und über Coopers Schulter hinweg konnte ich sehen, warum. Zwei Streifenwagen hatten am Ende der Brücke gehalten. Cooper hatte gesehen, dass es dort kein Entkommen gab. Er machte kehrt und kam zurück.
Ich ignorierte meinen Instinkt, der mir befahl, auf die Straße zu treten und ihm aus dem Weg zu gehen, und zwang mich, stehen zu bleiben. Vielleicht kam er an mir vorbei, aber ich würde ihn einen Moment aufhalten. Hinter mir war bestimmt Verstärkung. Ich wagte nicht, mich umzuschauen, doch ich wusste, dass sie mittlerweile in Position sein müssten. Mit jedem Augenblick würden mehr Polizisten eintreffen.
»Flint!«, brüllte eine Stimme, die ich nur allzu gut kannte. »Aus dem Weg, verdammt noch mal!«
Schritte näherten sich aus beiden Richtungen, und es fühlte sich an, als sei ich die Gejagte. Ich verspürte den fast unwiderstehlichen Drang zu fliehen.
Cooper war jetzt nur noch wenige Meter entfernt und lief nicht mehr so schnell. Dann zog er eine kurze schwarze Pistole aus der Tasche.
Die Schritte wurden langsamer.
Cooper war keine zwei Meter entfernt. Hinter ihm konnte ich Männer sehen, manche in Uniform, einer in einer grauen Jacke, die vor gar nicht so vielen Nächten über meinem Sofa gelegen hatte. Joesbury wohnte auf der anderen Seite des Flusses, kaum fünf Autominuten von meiner Wohnung entfernt.
Cooper drehte sich auf der Stelle, zielte mit seiner Pistole abwechselnd auf mich und auf Joesbury und sein Team. Jetzt waren keine Autos mehr auf der Brücke. Joesbury sah mich an und formte Worte mit den Lippen. Den Bruchteil einer Sekunde, nachdem es zu spät war, begriff ich, was er meinte. Weg da, hatte er mir sagen wollen.
Cooper hatte mich gepackt. Wir kippten gegen den roten Stahl des Brückengeländers, und ich fragte mich, ob auch nur eine einzige meiner Rippen heil geblieben war.
»Ich knall sie ab!«, schrie er. »Ich blas ihr ihre Scheißbirne weg!«
Die Pistole drückte gegen meine linke Schulter, aber ich hatte nicht vor, Einwände zu erheben. Ich holte tief Luft, löste den Blick von der Waffe und schaute auf. Coopers sonderbare Augen huschten hin und her. Sein Atem ging zu schnell, selbst in Anbetracht der Strecke, die er gerade gerannt war, und in seinen Mundwinkeln sammelte sich Speichel. Er stand ernsthaft unter dem Einfluss irgendwelcher Drogen.
Dann ging es plötzlich wieder. Er richtete sich auf und zog mich vor sich. Er war gute fünfzehn Zentimeter größer als ich und um einiges stärker. Sein linker Arm schlang sich um meine Taille, während er die Pistole an meine rechte Schläfe hob. Alles in allem hätte ich nicht behauptet, dass die Lage sich gebessert hätte. Außer dass ich mir die Pistole ziemlich genau hatte ansehen können, als sie gegen meine Schulter gedrückt gewesen war, und sowohl die Marke als auch Modellnummer auf dem Lauf hatte erkennen können.
»Lassen Sie sie los, Sam«, rief Joesbury. »Lassen Sie sie los, dann kriegen wir das hier geregelt.«
»Runter von der Scheißbrücke!« Coopers Stimme machte mich auf dem linken Ohr beinahe taub. »Verpisst euch von der Brücke, oder ihr könnt ihr Gehirn da runterkratzen!«
Joesbury hielt beide Hände hoch. »Ganz ruhig«, sagte er. »Wir gehen ja schon.«
Er und die Polizisten, die bei ihm waren, traten zurück. Wenn ich handeln wollte, dann musste ich es jetzt tun. Mit beiden Händen griff ich nach hinten und bekam den Stoff von Coopers Jacke zu fassen. Als ich ihn fest gepackt hatte und wusste, dass er nicht abhauen konnte, holte ich tief Luft.
»Die Knarre ist nicht echt!«, schrie ich und betete innerlich, dass ich recht
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