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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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Stimme, »was würden Sie dann tun? Würden Sie zu ihm halten, ganz gleich, welche Konsequenzen das für alle anderen hat?«
    »Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen.« Tränen rinnen ihr seitlich über die Wangen herab, die erste hat ihr Ohr erreicht. Sie möchte sie wegwischen, doch sie wagt nicht, sich zu bewegen.
    »Das ist wirklich ein hübsches Zimmer«, sagt die Stimme. »Obwohl ich für meinen Teil neutrale Töne ja nicht mag.«
    Während sich Finger in Charlottes Haar winden, ertönt Musik, eine altmodische Melodie, die Charlotte zu kennen glaubt, aber nicht recht einordnen kann. Ungeachtet der Drohung macht sie Anstalten, sich hochzustemmen, und hält dann inne. Etwas berührt ihren Hals. Sie schielt zur Seite, sieht den weiß gekleideten Arm mit dem gebeugten Ellenbogen.
    »In einer Stunde habe ich einen Termin«, wimmert Charlotte, und das Messer an ihrer Kehle bebt auf ihrer Haut.
    »Ja, ich auch«, sagt die Stimme. »Und es heißt doch, wenn man sich amüsiert, vergeht die Zeit wie im Flug.«
    Das Messer presst sich tiefer in ihre Haut. Charlotte ringt keuchend nach Atem. Plötzlich kann ihr Körper gar nicht schnell genug Luft einsaugen.
    »Meine Lieblingsfarbe war immer Rot«, sagt die Stimme, während Julie Andrews anfängt, von Regentropfen zu singen. »Ich glaube, was dieses Zimmer braucht, sind ein paar rote Akzente.«

50
    Ich hatte Dienst, als der Anruf kam, kurz nach dem Mittagessen. Ich war in den Einsatzraum gegangen, um Mizon etwas zu fragen. Als ich auf ihren Schreibtisch zukam, klingelte das Telefon, und sie legte ihr Sandwich weg, um den Hörer abzunehmen. Sie und ich waren allein im Zimmer; mindestens die Hälfte aus unserem alten Team hatte neue Aufgaben zugewiesen bekommen. Als sie auflegte, hatte sie eine steile Falte mitten auf der Stirn.
    »Das war das Westminster CID «, sagte sie. »Die sind in eine Bibliothek in der Buckingham Palace Road gerufen worden, die Victoria Library. Jemand hat da eine durchsichtige Plastiktüte liegen lassen, und da ist was drin, was aussieht wie ein Organ.«
    Ich hörte die Worte alle deutlich genug. Ich weiß nur nicht recht, ob ich sie verarbeitete.
    »Wissen Sie, ob DI Tulloch da ist?«, fragte sie. Dann griff sie abermals nach dem Telefon, ohne eine Antwort abzuwarten.
    Hinter mir ging die Tür auf, und DS Anderson kam herein.
    »Was ist denn los?«, wollte er wissen und schaute von Mizon zu mir.
    Mizon legte auf und berichtete ihm rasch, was passiert war. Er griff nach seinem Handy. Binnen Minuten begann der Raum sich zu füllen. Mehrere Leute sahen mich fragend an, wollten eine Erklärung. Ich schüttelte den Kopf.
    Tulloch kam herein und marschierte geradewegs nach vorn.
    »Klappe halten!«, rief sie. Wenn man ihm so kommt, wird ein Polizist normalerweise entsprechend reagieren. Dass Tullochs Befehl mit Schweigen begegnet wurde, war ein Anzeichen dafür, wie angespannt alle Anwesenden waren.
    »Vielleicht hat das Ganze ja gar nichts mit uns zu tun«, sagte sie. »Cooper war unser Mörder, und der ist tot.«
    Sie hatte recht, sie musste einfach recht haben.
    »Wir fahren da jetzt ganz ruhig und ohne großes Brimborium hin«, fuhr sie fort. »Drei Wagen – meiner, Andersons und Stennings. Der Rest wartet hier und hält sich bereit, nachzukommen, wenn wir euch brauchen.«
    Victoria Library. O nein. Nein.
    »Lacey.«
    Ich zwang mich, sie anzusehen.
    »Sie kommen wohl besser mit.«
    Sie verließ den Raum als Erste. Die Männer warteten, bis ich ihr folgte, und schlossen sich uns dann an. In Tullochs tiefer gelegten Sportwagen einzusteigen war nicht eben leicht, aber dies schien nicht der richtige Moment zu sein, sich zu beklagen. Schweigend fuhren wir vom Revierparkplatz herunter und die Lewisham High Street entlang.
    »Ein Organ«, sagte ich, als wir auf die A2 fuhren. »Was genau für ein Organ?«
    »Es ist ein Herz«, antwortete sie, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. »Unter anderem. Ich habe mit den Kollegen vom CID in Westminster gesprochen, bevor ich runtergekommen bin.«
    »Mary Kelly wurde das Herz entfernt«, meinte ich.
    »Mary Kelly ist aber erst im November gestorben«, entgegnete sie schroff. »Und Säugetierherzen haben eine sehr ähnliche Struktur, das weiß ich aus extrem glaubwürdiger Quelle. Es könnte ein Schweineherz sein, ein Schafsherz, alles Mögliche.«
    Ich antwortete nicht.
    »Mit so etwas habe ich gerechnet«, sagte sie. »Ich habe den anderen Dienststellen E-Mails geschickt. Der Jahrestag des Doppelmordes. Ich

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