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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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wirklich nicht viele Geschichten gehört, die ekliger waren als das«, sagte ich.
    »Ich finde, das beweist einfach, dass man sich mit der Zeit an alles gewöhnt. Wie geht’s Ihnen?«
    »Gut«, antwortete ich automatisch, und gleich darauf ging mir auf, dass das stimmte. Ich verspürte noch immer das drängende Verlangen, von Bord zu gehen und mich auf den Weg zum Ärmelkanal zu machen, ansonsten jedoch war es nicht einmal halb so schlimm, wie ich gedacht hatte, auf dem Fluss zu sein.
    Joesbury trat einen Schritt zurück und wandte sich zu mir um. »Sie sehen auch gut aus, finde ich«, stellte er mit einem knappen Lächeln fest. »Es gehört eine Menge dazu, Sie aus dem Gleichgewicht zu bringen, nicht wahr?«
    »Jep.« Ich drehte mich wieder zum Fluss um und dachte bei mir, dass die Ereignisse der letzten Stunden die dazu erforderlichen Kriterien möglicherweise erfüllen könnten. »Das kann man so sagen.«
    Ohne Vorwarnung brüllte der Motor auf, und das Boot schoss vorwärts. Joesbury und ich taumelten rückwärts, ehe wir uns wieder fingen. Wir sahen uns an, und er wies mich an zu bleiben, wo ich war. Bevor er die Tür erreicht hatte, streckte Onkel Fred den Kopf herein.
    »Wir haben gerade einen Funkspruch reinbekommen; da ist ein kleines Boot unterwegs zu den Royal Docks«, berichtete er. »Glatter Selbstmord bei diesen Bedingungen. Wir nehmen Fahrt auf und versuchen, sie zu finden. Also, muss ich euch beiden noch extra sagen, dass ihr hier drinnen bleiben und uns nicht in die Quere kommen sollt?«
    »Nein, Sir«, antwortete Joesbury. Ich schüttelte den Kopf.
    Jetzt jagten wir über das Wasser, die Scheinwerfer am Bug auf volle Kraft gestellt, und ich erblickte am südlichen Ufer Greenwich. Joesbury trat hinter mich und öffnete einen der Schränke, die sich an der Rückwand der Kabine entlangzogen. Er holte zwei zusammengerollte gelbe Gurte hervor. Beide hatten Karabiner an beiden Enden. Rettungsleinen.
    »Als Kind war ich eine echte Nervensäge«, sagte er, während er eine der Leinen entrollte und den Karabiner an meine Schwimmweste hakte. »Hab nie getan, was man mir gesagt hat.« Er hob die Leine über meinen Kopf und hakte das andere Ende dann an den Karabiner an meiner Taille. Dann tat er dasselbe mit seiner eigenen Schwimmweste und griff nach einem Fernrohr, das an der Kabinenwand hing.
    »Sie dürfen gern hier drinnen bleiben«, sagte er und öffnete die Tür, die nach Backbord aufs Deck führte. »Oder besser gesagt: Ich befehle Ihnen, genau das zu tun.«
    »Ich war als Kind auch eine Nervensäge«, verkündete ich und folgte ihm zur Tür.
    »Warum überrascht mich das nicht?«, gab er zurück. »Sobald wir draußen sind, suchen Sie sich irgendetwas Stabiles und machen sich daran fest.«
    Aus der warmen, dieselgeschwängerten Luft der Kabine zu treten war, als stiege man aus einem heißen Bad. Auf Deck traf uns der Wind mit voller Wucht. Der Regen hatte während der kurzen Zeit, die wir auf dem Fluss verbracht hatten, zugelegt und prallte wie Gewehrkugeln vom Wasser ab. Wir fuhren gegen die auflaufende Flut, und der Doppeleffekt von Gezeiten und Wind erzeugte überall um uns herum zornige Wellen.
    »Wer fährt denn an einem solchen Abend mit einem kleinen Boot raus?«, schrie ich Joesbury ins Ohr.
    Er hatte das Fernglas an den Augen und schaute stromabwärts. »Niemand, der was Gutes vorhat«, antwortete er. »Möglicherweise irgendwelche Schmuggler. Obwohl ich ja auf illegale Immigranten tippen würde. Sind Sie festgemacht?«
    »An der Reling.« Rasch warf ich einen Blick nach unten, um mich zu vergewissern. »Immigranten? Kommen die die Themse rauf?«
    »Ist gar nicht ungewöhnlich«, meinte er. »Containerschiffe bringen sie über die Nordsee. Ungefähr zwei Kilometer stromabwärts steigen sie aus, normalerweise in Tilbury, und dann geht’s mit kleinen Booten weiter. Aber Fred hat recht, das ist glatter Selbstmord.«
    »Wir können schon von Glück sagen, wenn wir sie bei diesem Wetter überhaupt sehen«, bemerkte ich.
    »Da sind sie.« Joesbury streckte die Hand aus und packte mich an der Schulter. »Auf zehn Uhr. Ungefähr zweihundert Meter.«
    Er reichte mir das Fernglas und richtete es aus. Nach einem kurzen Augenblick konnte ich grob ein mittelgroßes Schlauchboot mit einem kleinen Außenbordmotor ausmachen, das ohne Positionslichter fuhr. Drei Leute an Bord.
    »Hier spricht die Wasserschutzpolizei, stoppen Sie den Motor und bleiben Sie, wo Sie sind!« Sergeant Wilsons Lautsprecherbefehl

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