Dunkle Gefährtin
meinen Club gestürmt hattest, brachte ich selbstverständlich alles über euch beide in Erfahrung. Ich brauchte schließlich eine Handhabe gegen euch, nicht? Ein paar Anrufe bei alten Freunden in St. Paul – und voilà!«
Sie hätte gern mehr gewusst, wollte es aber auf keinen Fall von Merrick hören. »Das geht dich nichts an.«
»Nein, ist ganz allein deine Sache. Als Matriarchin musst du allerdings begreifen, dass jede Abweichung eine potenzielle Gefahr darstellt und ergründet werden sollte.«
Natürlich hatte er recht, und ihr wurde klar, dass Matriarchin zu sein bedeuten könnte, sie würde wie Merrick – oder wie Septimus mit seinem Netzwerk von Vampirspionen. Als Polizistin und Detective hatte Samantha immer geglaubt, sie würde denen helfen, die es nötig hatten, und wäre eine von den Guten.
Als Matriarchin konnte sie eine unglaubliche Macht gewinnen und lebte plötzlich in einer Welt, in der Gut und Böse oft fließend ineinander übergingen. So lebten Merrick und Septimus ihr Leben. Gleichzeitig wurde ihr bewusst, dass Tain tagtäglich auf dieser unsichtbaren Grenze balancierte, wenn er entscheiden musste, ob er half und heilte oder seine Kraft benutzte, um zu zerstören.
Ein weiteres Heulen erklang, diesmal näher. Samantha trommelte mit den Fäusten gegen die Felswand. »Ich bekomme gar keine Chance mehr, Matriarchin zu sein, wenn ich hier nicht rauskomme. Logan!«, schrie sie.
Merrick fuhr merklich zusammen und hielt sich die Ohren zu. »Sag mir nächstes Mal vorher Bescheid, ja?«
»Jetzt hilf mir schon! Dein Leben steht genauso auf dem Spiel wie meins!«
»Wenn das kein Argument ist!«
Beide riefen sie wieder und wieder Logans Namen.
Weit über ihnen hörte Samantha, wie sich etwas bewegte, Stein um Stein, und dann regneten kleine Kiesel auf sie herab. Merrick sprang fluchend zur Seite, aber Samantha starrte nach oben. Bildete sie es sich ein, oder sah sie einen winzigen Flecken Sternenhimmel?
Was sie sich eindeutig nicht einbildete, war das Klicken einer Gewehrsicherung oder das reflektierte Sternenlicht auf einem
sehr langen Lauf.
Tains Haut heilte schnell, wie immer. Trotzdem rann ihm das Blut in Rinnsalen über die Brust und sammelte sich an seinem Hosenbund. Die Matriarchin häutete ihn nicht so sorgsam wie Kehksut früher. Sie schnitt ihm einfach wieder und wieder ins Fleisch.
Die letzten anderthalb Jahre hatte er damit gekämpft, sich an die ungeheure Kraft zu gewöhnen, die er während seiner Folter gewonnen hatte, die ihn aber auch ein ums andere Mal vollkommen erschöpft hatte. Und inzwischen war sie ihm gleichgültig. Während der letzten paar Wochen hatte er begriffen, dass magische Stärke wenig nützte, wenn man nicht wusste, wie und wo genau man sie einsetzen sollte. Samantha dachte, sie hätte wenig Macht, aber da irrte sie.
Samantha besaß die innere Kraft, um ganz Los Angeles zu beruhigen. Sie war zu einem wahnsinnigen, unkontrollierbaren Unsterblichen gekommen, der bereit gewesen war, die ganze Welt zu vernichten, um seinem Schmerz ein Ende zu setzen, und hatte ihm kurzerhand gesagt, er solle gefälligst nicht so egoistisch sein. Danach hatte sie denselben Unsterblichen bei sich aufgenommen, der verwundet, verwirrt und voller Furcht davor war, dass er wieder in die Dunkelheit abtauchte. Aber sie hatte ihm vertraut.
Sie gab und gab von sich, und dieses Geben war weit mächtiger, als Tain jetzt war oder jemals sein könnte. Folglich musste er sich der Tatsache stellen, dass Samantha ihm mehr als irgendjemand oder irgendetwas sonst bedeutete, und sollte er sie verlieren, würde es ihm ewigen Kummer bereiten. Ja, das war gesunder menschlicher Schmerz, und die Tatsache, dass er ihn empfinden konnte, war noch so etwas, das sie ihm geschenkt hatte.
Die Matriarchin war noch nicht damit fertig, ihn zu verletzen. Nachdem sie seine Brust, seine Seiten und seine Arme zerschnitten hatte, alles im Zickzackmuster, peitschte sie ihn, und sie lachte bei jedem Hieb, der ihn traf. Sie wusste genau, wohin sie zielen musste, um die Schnitte, die eben zu verheilen begannen, wieder aufzureißen.
Bahkat sagte nichts, lachte nicht, freute sich nicht. Er stand einfach da, die Arme vor der Brust überkreuzt, und beobachtete alles. Er hatte sich eine Mannesgestalt verliehen, schön natürlich, mit glatter Haut und einem muskulösen Körper. Er trug nur Jeans, und seine nackten Arme waren von Tätowierungen übersät: Dämonenrunen für Machtzauber.
»Kehksut-Mörder«, sagte er
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