Dunkle Gefährtin
schloss die Tür. Es war absurd, wie viel besser sie sich fühlte, weil er wieder bei ihr war. Seit Jahren lebte sie unabhängig, und jetzt ertappte sie sich auf einmal dabei, wie sie auf ihn wartete. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie seine Lebensessenz gekostet hatte und mehr wollte, redete sie sich ein. Und sie fürchtete, dass ihr Wunsch zu einer unersättlichen Gier würde, von der sie nicht wusste, ob sie sie beherrschen könnte.
Nicht dass Tains Lebensessenz durchschnittlich war. Immerhin war er der Sohn der Göttin Cerridwen und eines kampferprobten Römers, weshalb seine Essenz faszinierend, schwindelerregend, berauschend war.
Sie legte ihren Stift hin und atmete langsam aus. »Das hier wird schreckliche Folgen haben.«
Tain blieb in der Nähe der Tür stehen, statt zu ihr zu kommen. »Wenn die Leute begreifen, dass man auch die mächtigsten Dämonen im Clan töten kann?«
Samantha nickte. »Andere Clans könnten sich daranmachen, Lamiah-Gebiete zu übernehmen, womit sie sich gleichzeitig großer Gefahr aussetzen. Zudem werden gewöhnliche Menschen denken, wenn
eine
Matriarchin umgebracht werden kann, können sie es alle, was die Macht der Dämonenclans sehr viel wackeliger aussehen lässt. Ich muss unbedingt mit dieser Townsend reden!«
»Nur, wenn ich dabei bin.«
»Okay.« Sie seufzte wieder. »Was geht hier vor? Eben war ich noch mit einer normalen Observierung beschäftigt und suchte nach den Mindglow-Dealern, und ehe ich mich’s versehe, jage ich einen Dämonenserienmörder, der imstande ist, eine Matriarchin zu töten.« Sie blickte zu ihm auf. »Komisch, dass alles an dem Tag angefangen hat, an dem du wieder in meinem Leben aufgetaucht bist.«
»Ich habe diese Morde nicht begangen.«
Das war es nicht, was sie meinte, wenngleich sie zugeben musste, dass er, muskulös und schwerterbewehrt, wie er war, durchaus wie ein Killer aussah. Nicht zu vergessen das kurzgeschorene Haar und das Pentagramm-Tattoo in seinem Gesicht. Jeder Dämon würde bei seinem Anblick schreiend davonlaufen, was Samantha eigentlich auch tun sollte.
»Du hast die beiden Dämonen im Merrick’s ziemlich mühelos getötet«, entgegnete sie.
»Sie waren auf ein großes Blutvergießen aus. Ich bin ein Krieger, aber ich töte, um zu schützen.«
»Bist du deshalb nach Los Angeles gekommen? Um uns vor amoklaufenden Dämonen zu schützen?«
»Teils.«
Seine einsilbigen Antworten machten sie allmählich verrückt! »Welches war der andere Teil?«
»Dich zu sehen.«
Sie war sprachlos, und ihr Herz raste. Wie schön, wenn er ihretwegen gekommen war, weil er sie mochte und nicht aus irgendeinem mysteriösen Unsterblichengrund – die Vergangenheit wiedergutmachen oder so etwas in der Richtung!
»Dir ist klar, dass es einen Rausch verursacht, wenn ein Dämon sich an jemandes Lebensessenz nährt«, sagte sie leise. »Nach einer Weile wird das zur Sucht.«
»Ja, das habe ich gehört.«
»Ich habe es in meinem Beruf wieder und wieder gesehen. Darum ist Mindglow auch illegal, weil es einem Menschen die letzte Möglichkeit raubt, dem Dämon zu widerstehen. Man kann die Sucht überwinden, indem man sich von Dämonen fernhält, aber Mindglow macht aus jedem
Nein
ein
Ja
.«
Tain verschränkte die Arme. Wie schaffte er es nur, einen ganzen Raum zu beherrschen, ohne dass er sich bewegte? »Du hast Angst, dass ich dir meine Lebensessenz gebe, weil ich süchtig nach dem Gefühl bin.«
»Was soll ich sonst denken?«
Sein Blick sagte ihr, dass sie nichts verstand und er keine Zeit hatte, es ihr zu erklären. Ruhig kam er auf sie zu und blieb knapp einen halben Meter vor ihr stehen. »Du solltest denken, dass ich ein Heiler bin, der geheilt werden muss.«
»Und mir deine Lebensessenz zu geben heilt dich?«
»Im Moment.«
Samantha hielt sich selbst für eine recht gefestigte Persönlichkeit. Sie war imstande, die schrecklichsten Tatorte zu verkraften und den Opfern zu helfen, ohne zusammenzubrechen, ihnen ihr Mitgefühl zu schenken und ihre Wut gegen die Täter zu richten. Sie tat alles, was in ihrer Macht stand, um die Verantwortlichen zu finden, sie festzunehmen und für ihre Verurteilung zu sorgen.
Bei Tain hingegen schienen ihre Gefühle völlig chaotisch. Sie spürte, dass sie ihm nicht trauen sollte, und doch traute sie ihm. Ständig befand sie sich in einem Wechselbad von Zweifeln und Gewissheit, und es half wenig, dass sie überdies im Begriff war, sich in ihn zu verlieben.
Im Begriff?,
höhnte die zynische Stimme in
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